Es war der große automobile Aufreger in der zweiten Aprilwoche diesen Jahres. Alfa Romeo präsentierte sein erstes vollelektrisches Modell mit dem schönen und melodischen Namen Milano, benannt nach der Alfa-Gründungsstadt Mailand. Die Alfa Romeo-Werke öffneten dort 1910 ihre Pforten, als „A.L.F.A.“ (Anonima Lombarda Fabbrica Automobili) – zu gut deutsch als Aktiengesellschaft Lombardische Autofabrik.
Diese eigentlich sinnhafte und ehrenvolle Namensgebung mochte der italienischen Regierung so gar nicht schmecken und so untersagte das Wirtschaftsministerium die Bezeichnung für den kompakten Crossover. Begründung von Adolfo Urso, dem zuständigen „Made in Italy“-Minister, der sich normalerweise lediglich um nicht zu hohe Pasta-Preise kümmern sollte: Der Milano wird nicht in Mailand oder sonstwo in Italien produziert, sondern im polnischen Stellantis-Werk Tychy. Nix Italia, nix Milano. Punkt! Aus! Basta!

Nun denn, jetzt heißt der Milano eben Junior und die Stadt Mailand kann sich ja immer noch überlegen, ob sie sich nicht in Junior umbenennen möchte… Junior, übrigens ein Name bei dem Alfa-Aficionados mit der Zunge schnalzen, weil er ein Teil der ruhmreichen Rennhistorie von Alfa Romeo ist. Die Giulia GTA 1300 Junior wurde von 1968-1975 gebaut, hatte einen knackigen 1,3 Liter Motor mit bis zu 180 PS, bei einem Gewicht von lediglich 760 Kilogramm. Das reichte für zahlreiche Pokale bei diversen Tourenwagenrennen. Das Design kam seinerzeit von Bertone, aber auch ein anderer großer Name, Zagato, entwarf auf der Giulia-GT-Basis ein zweitüriges Sportcoupé. Der Alfa Romeo Junior Zagato wurde 1510 Mal gebaut, ist heute ein begehrtes Sammlerstück.
Äußerst sportlich waren auch unsere ersten ausführlichen Testfahrten im Alfa Romeo Junior Elettrica 280 Veloce, dem Spitzenmodell der neuen Baureihe, als SUV-Crossover unterhalb des Tonale positioniert. Der 4,17 Meter kurze Kraftmeier bringt beachtliche 280 Elektro-PS (207 kW) an die Vorderräder, was für eine Beschleunigung in unter sechs Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 sorgt. Die Höchstgeschwindigkeit endet reichweitenfördernd bei 200 km/h. Der Preis startet bei 48.500 Euro. Zwei weitere Modelle wird es ebenfalls ab September geben, konnten aber noch nicht getestet werden.

Die Einstiegsversion des Einstiegs-Alfa nennt sich Junior Ibrida, ein 48-Volt-Mild-Hybrid, bestückt mit einem 1.2 l-Dreizylinder-Turbobenziner, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe und schmalen 136 PS zum Preis von 29.500 Euro. Junior Elettrica heißt der kleinere E-Alfa mit 156 PS, ab 39.500 Euro zu haben. Die jeweilige Elektroeinheit kommt aus dem Stellantis-Konzernregal, wird auch im Fiat 600e, Jeep Avenger, Opel Mokka und Peugeot 3008 verbaut. Nur der Power-Antrieb im Junior Veloce hat ein Alleinstellungsmerkmal in der Familie. Im Gegensatz zum historischen zweitürigen Namensgeber der 1960er-Jahre ist der aktuelle Junior nur als Viertürer zu haben.
Die von uns getesteten Veloce-Fahrzeuge in den Farben Rosso Brera (rot), Nero Tortona (schwarz) und Bianco Sempione (weiß) sind Vorserienmodelle, durften noch nicht auf öffentliches Straßenland. Kein Problem für Alfa Romeo, denn die Marke eröffnete ja bereits 1961 das heutige Stellantis-Versuchsgelände in Balocco, rund 75 Kilometer westlich von Mailand gelegen. Hier gibt es auf einer Fläche von 550 Hektar eine Streckenlänge von über 80 Kilometern, mit unzähligen Kurvenkombinationen, den unterschiedlichsten Straßenbelägen und einer Berg- und Talbahn ähnlich der Nürburgring-Nordschleife und dem Bilster Berg. Auch ein Formel 1 zertifizierter Testparcours für Hochgeschwindigkeitsfahrten gehört dazu, auf dem kann man das Fahrverhalten auf berühmten F1-Kurven wie der „Curva di Lesmo“ (Monza) oder der „Hugenholtzbocht“ (Zandvoort) nachvollziehen.
Mit einer 25mm-Tieferlegung, Sportbremsen mit rotlackierten Vier-Kolben-Monobloc-Bremssättel und einem mechanischen Torsen-Sperrdifferential hat der Junior Veloce in der Tat sportive Ambitionen. Das beweist auch der kurze Bremsweg von 33 Metern aus Tempo 100 und das für das Segment niedrige Leergewicht von 1590 Kilogramm. Konkurrenzprodukte können da schon mal an die zwei Tonnen wiegen. Für die Gewichtsersparnis sorgt die relativ kleine Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 54 kWh und die fehlende Wärmepumpe. Trotzdem liegt die Reichweite bei rund 400 Kilometern.

Wir starten den roten Junior mit dem schwarzen Startknopf in der glänzend schwarzen Mittelkonsole. Auch die äußerst sportlichen Halbschalensitze mit den hohen rennsportlichen Seitenwangen sind – Überraschung – schwarz, allerdings mit roten Doppel-Kontrastnähten. Unsere Fingerspitzen erfreuen sich an dem schön griffigen und unten abgeflachten Lenkrad mit Leder- und Alcantara-Einsätzen. Auch die anderen Materialien im Innenraum fühlen sich gar nicht mal so übel an. Nur das großflächige Hartplastik-Armaturenbrett kann den gewünschten Premiumanspruch nicht erfüllen. Der mittig zentrierte und dem Fahrer zugeneigte 10,25-Zoll-Touchscreen lässt sich wiederum erstaunlich intuitiv bedienen, durch Drag-and-Drop kann vieles nach dem eigenen Geschmack individualisiert werden. Der Kofferraum mit 12-Volt-Steckdose ist mit 400 Litern geräumig, für das Ladekabel gibt es noch einen extra Stauraum unter dem Frontdeckel.
Für die schnellen Runden in Balocco stellen wir den altbekannten, aber für das E-Fahrzeug optimierten, Fahrdynamikregeler DNA auf D wie Dynamic. Somit wird die maximale Leistung zur Verfügung gestellt, Lenkung und Pedale werden straffer und die elektronischen Helferlein à la ESP halten sich weitestgehend zurück. Wer viel im Stadtverkehr unterwegs ist, drückt jetzt noch im Drive-Mode die B-Taste, das steigert die Rekuperation beim Bremsen und optimiert somit die Reichweite, gerade im städtischen Stop-and-Go-Verkehr.

Bei scharf gefahrenen Kurven fangen auf dem ersten 20-Kilometer-Rundkurs zwar aufgrund physikalischer Gesetze die 20-Zoll-Niederquerschnittsreifen auf den stylishen Kleeblatt-Leichtmetallfelgen namens Venti an zu quietschen, allerdings sorgt das Fahrwerk für eine nur minimale Seitenneigung. Was für ein Fahrspaß, das ist ja wie Alfafahren zu seinen besten Rennsportzeiten. Kurz um, ein rundum gelungener Auftritt, trotz E-Antrieb.
Übrigens: Das mit 1400 Euro aufpreispflichtige Panorama-Glasschiebedach hat zwar nichts mit sportlichem Vorankommen zu tun, ist aber empfehlenswert, weil es den Komfort doch deutlich steigert. Und, kleiner Fun-Fact: Den Namensschriftzug Junior sucht man auf dem neuesten Alfa vergeblich. Absicht! Alfa Romeo steht mittig auf dem Heckdeckel, Veloce-Logos findet man rechts und links auf den vorderen Kotflügeln unterhalb der Frontscheibe. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
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