Es ist jedes Jahr eines der ganz großen Events für Automobil-Begeisterte: Das Festival of Speed im englischen Goodwood, rund 100 Kilometer südwestlich von London gelegen. Das Highlight sind stets die Hochgeschwindigkeitsfahrten auf der berühmten rund 1,7 Kilometer langen Hillclimb-Strecke des Duke of Richmond. Zwischen den gewaltigen Strohballen jagen Formel-1-Boliden der vergangenen Jahrzehnte, düsengetriebene Prototypen und legendäre Oldtimer mit einer atemberaubenden Soundkulisse den Berg hoch. Hinterm Volant sieht man immer wieder bekannte Gesichter; Prinz Leopold von Bayern, Tom Kristensen, Stig Blomqvist, Adrian Newey, Strietzel Stuck und viele mehr geben sich die Ehre, hier mit hochheizen zu dürfen.
Sicherlich nicht der schnellste, aber mit Abstand der beliebteste Oldtimer war in diesem Jahr das erste Exemplar der Bentley Speed Six Continuation Series. Zwölf Stück dieser ursprünglichen Vorkriegsrennwagen aus den 1929/1930er-Jahren baut Bentley in seinen Mulliner-Werkshallen authentisch nach, mit dem 6½-Liter-Sechszylinder-Rennmotor, der 205 PS leistet. Die Fertigung und Auslieferung an das Dutzend glücklicher Kunden wird sich allerdings noch bis Ende des nächsten Jahres hinziehen. Im Gegensatz dazu ist die vierte Generation des Bentley Continental sofort bestellbar. Das GT-Coupé und das GTC-Cabriolet feiern hier in Goodwood ihre offizielle Publikumspremiere.
Walter Owen Bentley (1888 – 1971) wäre stolz auf seine heutigen Ingenieure. Die Mannschaft aus dem Hauptquartier im englischen Crewe hat es mal wieder geschafft einen neuen leistungsstärksten Bentley aller Zeiten zu kreieren. Und das mit Straßenzulassung, aber ohne den legendären W12-Zylinder-Motor, der in diesen Tagen seinen Abschied nehmen muss. Schwierig für alle Triebwerk-Aficionados, denn Bentley ist mit über 100.000 produzierten Zwölfzylinder-Fahrzeugen unangefochtener Weltrekordhalter.
Der neue zweitürige Continental GT hat erstmals einen 4.0-V8-Plug-in-Hybridmotor unter der Haube, der aber auch die letzten trauernden Fans milde stimmen sollte, denn die 782 PS und 1000 Newtonmeter Drehmoment bringen einen weiteren Weltrekord – unter Wasser! Im norwegischen Ryfylke-Tunnel, mit 14,4 Kilometern der längste und mit 292 Metern unter dem Meeresspiegel auch der weltweit tiefste unterseeische Straßentunnel, erreichte der Grand Tourer in nur 33 Sekunden seine Höchstgeschwindigkeit von 335 km/h.
Wir tauchen wieder auf und testen den Boliden, aber nicht in Goodwood, sondern auf einer richtigen Rennstrecke, in Castelloli, in der Nähe von Barcelona. Ein mutiges Unterfangen, da neben den beachtlichen Pferdestärken auch ein Leergewicht von rund 2,5 Tonnen den technischen Daten zu vernehmen ist. Wer schon mal einen Bentley gefahren hat, findet sich sofort zurecht, der Innenraum wurde nur behutsam modifiziert. Der Startknopf befindet sich unverändert in der Mittelkonsole, der Sound aus den beiden flachen Endrohren sorgt für sofortige Gänsehaut in der Boxengasse.
08:30 Uhr: Bentley-Technikvorstand Matthias Rabe setzt sich seinen Rennhelm auf und zu mir ins Fahrzeug. Ebenfalls mutig, da um diese Uhrzeit jede Menge Morgentau noch feuchte Stellen auf dem Asphalt hinterlassen hat. Nach einer Warmlaufrunde kommen Hot Laps, die brutale Beschleunigung des Allradlers in etwas über drei Sekunden auf Tempo 100 drückt einen heftig in die äußerst sportlichen Ledersitze. Dank der hohen Wangen bleibt der Körper auch bei schnell gefahren Kurven sicher in der gewünschten Position. CTO (Chief Technology Officer) Rabe ist begeistert: „Sehen Sie, durch die deutlich verbesserte Balance, das neue aktive Fahrwerk und der Allradlenkung, fährt man auch auf einem Rundkurs wie auf Schienen. Und nach einer 1000-Kilometer-Fahrt in den Urlaub steigt man fit und unangestrengt aus.“
Fazit: Ein in der Tat atemberaubendes Fahrzeug, mit dem man, wenn man den will, auch bis zu 81 Kilometer reinelektrisch fahren kann. Preise gibt es noch keine, man munkelt aber, dass es beim GT Speed bei rund 250.000 Euro starten könnte. Das Cabrio kostet traditionell rund 30.000 Euro mehr.
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