Daimler leiht sich über Sixt verdeckt einen Tesla aus, verursacht mehr als 80 000 Euro Schaden und lässt den Besitzer damit allein: Wie peinlich für den Autohersteller. Jetzt äußert sich allerdings die Firma Sixt. Und lässt die Geschichte in ganz anderem Licht erscheinen.

Dabei passte sie so gut ins Klischee: Daimler kann keine eigenen Elektroautos entwickeln und muss deshalb Produkte der Konkurrenz auseinanderschrauben. Industriespionage! Und dann stellt man das gemietete Auto auch noch mit Totalschaden auf den Hof und verdrückt sich. So der Tenor einer rührenden Geschichte, die kürzlich von mehreren Medien berichtet wurde: Mit einem geliehenen Tesla Model X habe Daimler Testfahrten in Sindelfingen und Barcelona unternommen. Letzteres angeblich, um Tests bei “extremer Hitze” durchzuführen – was in Barcelona im Herbst relativ schwierig werden dürfte. Vielleicht war das Auto auf dem IDIADA-Testgelände, auf dem viele Hersteller Autos erproben.

Tränentreibende Geschichte

Aber sei’s drum: Offenbar hat Daimler den Wagen nicht gerade pfleglich behandelt – unter anderem ist die Rede von einer verzogenen Heckklappe und mit Tape geflickten Kotflügeln. Oder der Luxus-Stromer hat die ein oder andere Rüttelstrecke nicht ganz verkraftet. Jedenfalls gab es mächtig Zoff bei der Rückgabe des Mietwagens.

Derartige Testfahrten sind in der Autoindustrie nämlich durchaus üblich und haben mit Industriespionage wenig zu tun, im Rahmen von Benchmark-Tests werden eben auch wichtige Konkurrenten unter die Lupe genommen. Und Tesla, das gibt man selbst bei selbsbewussten Herstellern der Premium-Kategorie zu, ist nun mal einer der führenden Hersteller von E-Autos, mit dem man sich messen muss. Sicher auch bei Daimler. Dort mietete man sich ebenjenen Tesla Model X – gab ihn dann aber angeblich mit einem Schaden in Höhe von 80 000 Euro zurück. Der Wagen könnte, so vermuten jedenfalls die Besitzer, gar auseinandergebaut und dann wieder zusammengesetzt worden sein.

Das Luxus-Elektroauto gehört einem Ehepaar aus einem mittelfränkischen Nest, das mit der Firma “Elektromotron” – teils über die Autovermietung Sixt – insgesamt drei Tesla-Autos verleiht. Für das Paar sei der Zustand des Wagens ein gewaltiger Schock gewesen, berichten nun viele Medien voller Mitgefühl. Es sei den Tränen nahe gewesen. Und würde nun auf dem Schaden sitzen bleiben. Der Autovermieter Sixt (der offiziell übrigens nicht bestätigt, dass Daimler der Kunde war – diese Verschwiegenheit ist üblich bei solchen Mietgeschäften) hat sich nun geäußert. Und stellt die Situation in einer Stellungnahme anders dar.

Ein Sittenwidriges Ansinnen

So sei an dem Fahrzeug keineswegs ein Schaden von mehr als 80 000 Euro entstanden: “Die DEKRA hat in einem Gutachten, das von Elektromotron selbst in Auftrag gegeben worden war, den Schaden lediglich auf rund 15 700 Euro (ohne MwSt.) beziffert. Sixt hat diesen Schaden zusammen mit den Gutachterkosten und dem Fahrzeug-Minderwert Elektromotron binnen weniger Tage ohne weitere Diskussion erstattet. Dabei handelte es sich um einen Gesamtbetrag von rund 18 500 Euro (ohne MwSt.)”, so der Autovermieter.

Weiter heißt es: “Der medienwirksam behauptete Schadensbetrag von rund 83 500 Euro netto kommt nur deshalb zustande, weil Elektromotron unbegründete, mithin völlig willkürliche Positionen in Rechnung stellte. Offensichtlich erfolgte das ‘Hochrechnen’ des Schadens von vornherein mit der klaren Absicht, ein Drohpotential im Falle einer Veröffentlichung in den Medien aufzubauen und dabei eine Rufschädigung von Sixt in Kauf zu nehmen. Dafür spricht die letzte Rechnungsposition ‘Abstandszahlung für NDA’ in Höhe von 20 000 Euro. NDA steht für ‘Non Disclosure Agreement’ (Vertraulichkeitsvereinbarung), d.h. Sixt wurde aufgefordert, für die Nicht-Veröffentlichung des Vorgangs zusätzlich sogar einen höheren Betrag zu zahlen als von der DEKRA neutral als Schaden festgestellt worden war. Ein solches ‘Schweigegeld’ ist sittenwidrig und war für Sixt völlig inakzeptabel”, so der Autovermieter.

Die Geschichte ging offenbar noch weiter: Der Tesla-Besitzer versuche, so Sixt, “die zwischenzeitlich hergestellte Öffentlichkeit zu nutzen, um aus dem Schaden am Ende ein noch besseres Geschäft für Elektromotron zu machen. So wurde Sixt mit Datum vom 5. Dezember 2017 eine neue Rechnung über rund 185 000 Euro netto für die Schadensregulierung samt Kauf des gebrauchten Fahrzeugs präsentiert. Diese Summe liegt sogar über dem Neupreis des Fahrzeugs und ist ein erneuter Beweis dafür, dass es dem Tesla-Besitzer nicht nur um die Schadensregulierung geht, sondern dass er weitergehende finanzielle Absichten verfolgt” – so jedenfalls die Vermutung von Sixt.

Geheim waren die Tests auch nicht

Weiterhin stellt Sixt klar: “Allen Beteiligten bei diesem Vorgang – und damit auch Elektromotron – war im Übrigen klar, dass das von Sixt an den industriellen Kunden vermietete Fahrzeug zu Vergleichs- und Testzwecken eingesetzt werden würde.” Zudem betont der Autovermieter, dass die Bewegungsdaten, mit denen herausgefunden wurde, wo der Tesla während des Testzeitraums war, keineswegs von Sixt zur Verfügung gestellt worden seien: “Wir erheben solche Daten nicht”, sagt ein Sixt-Sprecher.

Eine Bitte um Stellungnahme vom 5. Dezember an Elektromotron blieb unbeantwortet. Was Daimler nun wirklich mit dem geliehenen Tesla angestellt hat, bleibt ein Geheimnis – offiziell heißt es vom Hersteller nur: “Die Anmietung von Fahrzeugen für Vergleichsfahrten ist in der Automobilbranche ein üblicher Vorgang. Werden die Fahrzeuge während der Miete beschädigt, kommt die Versicherung zum Tragen und es wird eine Schadensregulierung vorgenommen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu einzelnen Fahrzeugmieten nicht äußern.”


Dieser Text wird von Focus Online zur Verfügung gestellt.


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QuelleTesla
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