Ein wenig Untergangsstimmung schwingt mit, wenn man die Cobo Hall im winterlichen Detroit durchstreift. Denn eine Ära geht zu Ende: Ab kommendem Jahr gibt es keine Messe mehr im Winter. Zwar soll es einen Sommertermin geben – doch ob die Aussteller mitziehen? Und die Chance, die Stimmung für das kommende Autojahr schon im Januar festzulegen, kann Detroit nicht mehr wahrnehmen.

Kühl rechnende Deutsche haben das Ende der Detroiter Wintermesse schon einmal vorweggenommen: Nur noch Volkswagen gibt sich die Ehre, während Porsche die Anwesenheit der Journalisten lediglich nutzt, zu einem Abendessen in Messenähe einzuladen.

Cadillac XT6

Doch wer die Reise in die “Motor City” nicht scheut, bekommt auch heuer einiges geboten. Und zwar schon im Umfeld: Bereits am Vorabend stellt Cadillac den Crossover XT6 vor, der die meisten Beobachter wegen seiner wenig ambitionierten Formgebung und technischen Ausstattung allerdings enttäuscht. Mercedes-Benz hat den sportlich-eleganten CLA schon auf der CES in Las Vegas gezeigt und läßt sich in Detroit nicht blicken. Die wichtige Ankündigung der Allianz zwischen VW und Ford kommt am zweiten Pressetag per Telefonkonferenz. Nicht erschienen ist Tesla; die Kalifornier kämpfen mit der eingebrochenen Binnennachfrage für den Model 3. Für einen gut gefüllten Kalender an Pressekonferenzen hat es trotzdem gereicht.

8:05 – North American Car of The Year mit Genesis und Hyundai

Genesis G70

Seit 1994 gibt es den North American Car and Truck of The Year Award, zungenbrecherisch abgekürzt NACTOY. 54 Juroren aus den USA und Kanada haben entschieden: Amerikanisches Auto des Jahres ist der Genesis G70, eine kompakte Sportlimousine, die klassische Tugenden modern umsetzt: Basis ist ein Hinterradantrieb, und es gibt sogar eine Handschaltung, von deutschen Herstellern zunehmend verschmäht. Bei den Crossover-Modellen staubt der Hyundai Kona ab, “North American Truck of The Year” wird der Ram 1500, Nachfahre der berühmten Dodge-Pickups.

8:40 – Ford auf dem Leistungstrip

Ford Mustang Shelby GT 500

Auf großer Bühne lanciert Ford den extrem leistungsstarken Mustang Shelby GT 500: Über 700 PS bringt der kompressoraufgeladene Bolide mehr oder weniger harmonisch auf die Straße. Ein schöner Einstand in das aktuelle Auto-Jahr, und der Ball wird auch gleich vom hauseigenen Explorer ST aufgenommen. Die sportliche Variante des gerade enthüllten Familien-Crossover leistet stolze 400 PS.

9:10 – Ram und der ultimative Turbodiesel

Ram HD Pickup

Das Segment der Pickup-Trucks feiert in den USA weiterhin große Erfolge. Und es gilt die Devise: Größer ist besser. Dabei hat sich in der Klasse der großen “Full-Size Pickups” eine immer schärfere Abgrenzung zwischen den “Half-Ton-Pickups” und den nochmals leistungsfähigeren “Heavy-Duty-Pickups” der “Three-Quarter-Ton-“ bzw. “One-Ton”-Klasse herausentwickelt. Jetzt hat die Fiat-Chrysler-Tochter Ram in diesem Segment die Meßlatte auf bislang unerreichte Höhe gelegt: Mit dem sportlichen Power Wagon gibt es ein Äquivalent zum kleineren Ram Rebel, und gegen Aufpreis gibt es einen von der Firma Cummins zugelieferten Reihensechszylinder-Turbodiesel mit 6,7 Litern Hubraum, 400 PS Leistung und geradezu unglaublichen 1358 Nm Drehmoment. Damit kann dieser Pickup fast 16 Tonnen ziehen. Und nebenbei ein schönes Statement pro Diesel abgeben.

9:40 – Toyotas Sportwagen-Ikone

Toyota Supra

Der Andrang bei der Pressekonferenz ist gewaltig, denn Toyota bringt eine Ikone zurück: Den legendären Sportwagen Supra, völlig neuentwickelt auf Basis des neuen BMW Z4. Die Veranstaltung mit Toyota-Chef Akio Toyoda und Rennfahrer Fernando Alonso unterstreicht den sportlichen Anspruch der Marke. Schade nur, daß es den Supra nicht mehr mit Handschaltung gibt. Und die sichtbare BMW-Technik im Interieur dürfte dem Image des Supra eher abträglich sein. Dafür sieht der Supra schöner und sportlicher aus als sein bajuwarisches Schwestermodell. Gesprächsthema in Detroit ist übrigens auch, daß Toyota aus dem Hype um autonome Fahrzeuge letzte Woche auf der CES in Las Vegas die Luft abgelassen hat. So schnell wird sich in dieser Richtung nichts tun, weiß Toyota. Die Japaner können es sich leisten, die Wahrheit auszusprechen.

10:10 – Volkswagen will es vielen rechtmachen

Volkswagen Passat

Sanftere Töne als bei Toyota werden bei Volkswagen angeschlagen. VW-Chef Herbert Diess ist persönlich gekommen, um eine 800 Millionen Dollar schwere Investition in das Werk Chattanooga im US-Staat Tennessee anzukündigen; die anwesenden Politiker dürfen sich in überschwenglichem Lob sonnen. Die Investition darf man als mutig bezeichnen, denn sie soll ganz der Produktion von Elektroautos gewidmet sein – für die es in den USA aktuell wenig politische Unterstützung gibt, von fehlender Kundennachfrage ganz zu schweigen. Nebenbei lancieren die Wolfsburger einen neuen US-Passat, der im Gegensatz zu seinem deutschen Schwestermodell weiterhin auf der PQ46-Plattform basiert. Der bislang optionale VR6-Motor ist verschwunden.

10:40 – Nissan mit wenig überraschender Studie

Nissan IMs

Mit der kantig-uninspirierten Studie IMs zeigt Nissan einen Vorschlag für – was sonst – eine vollelektrische, autonom fahrende Crossover-Limousine. Immerhin: Die Rückbank läßt sich gleichsam zum Thron umfunktionieren, und man darf nur hoffen, daß die schöne neue Welt, die uns Fahrzeuge wie den Nissan IMs ankündigen, auch noch erlaubt, seine 483 PS auszufahren.

11:10 – Kia erteilt den Deutschen eine Lektion

Kia Telluride

Schöner läßt sich ein großer SUV nicht entwerfen: Der Kia Telluride fasziniert mit hochwertiger Anmutung und eigenständiger Formgebung, von der sich mancher etablierte Premium-Hersteller vielleicht einmal inspirieren lassen sollte. Im Innenraum dominieren elegante Sitze und ein Vierspeichen-Lenkrad, unter der Haube steckt ein 291 PS starker 3,8-Liter-Sechszylinder.

11:40 – Infiniti mit Startschwierigkeiten

Infiniti QX Inspiration

Die Bühne bleibt leer, denn die Studie QX Inspiration steckt auf einem Gang in der Cobo Hall fest. Und so muß die Pressekonferenz verschoben werden. Doch das Warten lohnt sich: Der (was sonst) elektrische Crossover-SUV mit autonomen Fahrfähigkeiten, proportioniert wie ein Jaguar I-Pace, läutet eine weiterentwickelte Formensprache für die noble Nissan-Tochter ein.

12:10 – Hyundai darf sich feiern

Hyundai Kona und Sangyup Lee

Die größten Neuheiten gab es mit der Preisverleihung an Genesis G70 und Hyundai Kona bereits zum Frühstück, und so konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf die N-Line, ein Ausstattungspaket für den Elantra GT, Schwestermodell des europäischen i30. Im Bild: Der Kona mit Hyundai-Chefdesigner Sangyup Lee, flankiert von den Hyundai-Nordamerika-Direktoren Brian Smith und William Lee.

12:40 – Subaru belohnt Amerika

Subaru Impreza STi S209

Während die Japaner die leistungsstarken WRX-Modelle im von radikalen Grenzwerten und komplizierten Meßverfahren verwirrten Europa gerade aus dem Sortiment gestrichen haben, bekommen die Amerikaner mit dem Subaru Impreza STi S209 ein starkes Sondermodell, das kompromißlos auf Sportlichkeit getrimmt ist. Unter dem aggressiv geformten Blech steckt ein per HKS-Turbolader auf 341 PS gebrachter 2,5-Liter-Boxermotor, der standesgemäß an eine Sechsgang-Handschaltung gekoppelt ist.

13:10 – Lexus im V8-Rausch

Lexus LC Cabriolet

Ein Facelift für das kompakte Sportcoupé RC F und eine Cabriolet-Studie auf Basis des sensationellen LC 500 unterstreichen, daß Lexus die Wünsche der US-Kundschaft verstanden hat. Bezeichnend: Für Vortrieb sorgt in der schönen Studie ein 5,0-Liter-V8-Saugmotor und nicht etwa der parallel angebotene, relativ schwache Sechszylinder-Hybridantrieb.

13:40 – GAC läßt sich Zeit

GAC

Verschobener Marktstart: Erst 2020 will GAC auf dem US-Markt starten. Dennoch zeigt die Marke schon heuer eine elektrische Fahrzeugstudie namens Entranze. Nebenbei gibt es eine Reihe konventionell gezeichneter und angetriebener SUV-Typen. Doch die politische Landschaft ist für ein Engagement chinesischer Marken in den USA ungünstig. Obwohl die Modelle auf dem Heimatmarkt den schönen Namen “Trumpchi” tragen.


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