Cadillac will sich einen Platz unter den internationalen Premium-Marken zu erkämpfen. Die Neuausrichtung begann vor 15 Jahen mit aggressivem Design, setzte sich mit der Rückkehr zum Hinterradantrieb und zunehmend anspruchsvoller Technik fort – und manifestiert sich im Cadillac ATS-V: Mit dieser Ableitung der kompakten ATS-Baureihe werfen die Amerikaner dem BMW M3 und M4 den Fehdehandschuh hin. Höher kann man nicht zielen.

Die COTA-Rennstrecke im texanischen Austin ist ein dankbares Pflaster, um den hehren Anspruch einer Überprüfung zu unterziehen. Ein besseres Revier ist kaum denkbar – denn abgesehen von jener schnellen und anspruchsvollen Rennstrecke gibt es in Texas die Straßen mit dem am höchsten Tempolimit den USA. Bis zu 137 km/h darf man hier fahren, 150 km/h werden locker toleriert. Das ist eine erfreuliche Ansage, wird dem Potential des ATS-V jedoch trotzdem nicht annähernd gerecht.

Denn seine Höchstgeschwindigkeit liegt bei 304 km/h, die im siebten von acht Gängen erreicht werden. In dieser luftigen Höhe bewegt sich der Amerikaner als Solitär: Alle Konkurrenzmodelle regeln vorher ab. Das sollte man ihnen kaum zum Vorwurf machen, denn die aerodynamischen und thermischen Herausforderungen einer Dauergeschwindigkeit von über 300 km/h sind nicht trivial. Cadillac kann es. Den Standard-Spurt von 0 auf 100 km/h erledigt der ATS-V übrigens in 3,9 Sekunden. Auch das ist Bestwert.

Verantwortlich für die herausragenden Fahrwerte ist ein 3,6-Liter-V6-Motor, der von zwei Mitsubishi-Turboladern auf 341 kW / 470 PS und 603 Newtonmetern Drehmoment gebracht wird. Die Leistungsentfaltung ist geradezu explosiv, und der zwangsbeatmete Sechszylinder zeichnet sich durch ein Klangbild von diskreter Schärfe aus. Auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal: Während der Mercedes-AMG C63 seine Leistung ungeniert heraustrompetet und der M3 den Klang seines Reihen-Sechszylinders künstlich überhöht, zeichnet sich der Cadillac durch jene Diskretion aus, die man einst wohl eher von den deutschen Platzhirschen erwartet hätte.

Dieser Charakterzug gilt auch für das Automatikgetriebe: Die hauseigene 8L90-Hydramatic wechselt die Gänge ebenso blitzschnell wie unmerklich. Ein Doppelkupplungsgetriebe, so Chefingenieur David Leone, wäre aus Imagegründen vielleicht für Werbesprüche gutgewesen, jedoch schwerer und deutlich teurer geworden. Basisgetriebe ist eine manuelle Sechs-Gang-Schaltung vom Zulieferer Tremec. Sie wird in Europa leider nicht angeboten.

GM hat das ohnehin schon überzeugende Fahrwerk des ATS für die V-Variante deutlich modifiziert. Geschmiedete 18-Zoll-Aluräder sind Serie, aufgezogen auf Michelin Pilot Sport-Reifen der Dimension 235/35 vorn und 255/35 hinten. Die McPherson-Vorderachse und die Fünf-Lenker-Hinterachse wurden verstärkt, und das elektronische Magneride-Fahrwerk reagiert nun dreimal schneller als bisher. Die elektrische ZF-Servolenkung ist leichtgängig und gut gewichtet, während die Brembo-Bremsanlage zwar sehr standfest ist, sich jedoch präziser anfühlen könnte.

Er kommt gerne quer

Für anspruchsvolle Fahrer, die den Hecktriebler auf abgesperrter Piste gerne einmal quer kommen lassen, gibt es ein entsprechend abgestimmtes elektronisches Sperrdifferential an der Hinterachse. Die Stabilitätskontrolle und die Dämpfung sind übrigens vielfach elektronisch verstellbar.

Es gibt den Cadillac ATS-V als viertürige Limousine und als zweitüriges Coupé. Bis zur A-Säule sind beide Varianten identisch, dahinter unterscheiden sie sich deutlich. Das Coupé ist flacher und verfügt über eine etwas breitere Spur; die elegante Dachlinie geht allerdings auf Kosten der Kopffreiheit hinten. Vorn sitzt man in beiden Modellen hervorragend und blickt auf eine übersichtliche Armaturentafel. Das Telematik-System CUE ist allerdings aus unserer Sicht ästhetisch und funktional überarbeitungsreif, und die Auswahl der Materialien – etwa bei der Lenkradnabe – könnte teilweise anspruchsvoller sein.

Dafür ist die Serienausstattung überaus reichhaltig – und sie relativiert auch die Einstiegspreise von 69 900 Euro für die Limousine und 72 500 Euro für das Coupé, die sich auf dem Niveau der Konkurrenz bewegen. Das gilt, so lässt sich nach unseren Testfahrten konstatieren, auch für das Leistungs- und Qualitätsniveau dieses Amerikaners. Eine überzeugendere Sportlimousine hat es aus Detroit noch nicht gegeben.


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