Es hätte auch ein Über-Mustang werden können: Als Ford die Entwicklung eines neuen Supercar für Le Mans ins Auge gefasst hatte, wurde unter der Bezeichnung “Project Silver” ein Mustang-Derivat konzipiert. Mit einer Kohlefaser-Fahrgastzelle wäre das Auto extrem teuer geworden. Das Projekt wurde gestoppt – und man begann mit einem weißen Blatt Papier. Das Ergebnis: Der Ford GT.

Der Ford GT hat eine ebenso glanzvolle Historie wie der Mustang: 1966 besiegte der GT40 Ferrari beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. 2005 wurde eine von Camilo Pardo gezeichnete Hommage vorgestellt – ein reines Designerstück mit einem 5,4-Liter-V8-Kompressormotor.

Der jetzt präsentierte, 647 PS starke GT der dritten Generation will dagegen auf der Rennstrecke siegen. 2016 holte er in Le Mans den Klassensieg, jetzt kommen die Autos zu den Kunden. Entwickelt wurde das Auto unter größter Geheimhaltung in einem Keller des Ford-Entwicklungszentrums. Als das Auto im Januar 2015 auf der Automesse in Detroit gezeigt wurde, waren die meisten Ford-Mitarbeiter genauso überrascht wie die Öffentlichkeit.

Extrem starker V6-Motor

Das Konzept des neuen GT ist extrem ambitioniert: Die Karosserie besteht fast vollständig aus Kohlefaser-Verbundstoff, und hinter den Vordersitzen ist kein V8 mehr verbaut, sondern ein 3,5-Liter-V6, gekoppelt an ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Aus dem relativ profanen Massenmotor hat Ford ein Biturbo-Hochleistungsaggregat entwickelt, das 647 PS leistet und 746 Nm Drehmoment entwickelt. Sollte ein bescheidener Spritverbrauch das Ziel gewesen sein, so hat Ford es glatt verfehlt: Schon bei verhaltener Fahrweise haben wir rund 17 Liter Kraftstoff pro 100 km verfeuert.

Dem stehen extrem hohe Fahrleistungen gegenüber. Die katapultartige Beschleunigung lässt bis weit über 200 km/h kaum nach; die Vmax liegt bei 348 km/h. Das Klangerlebnis eines klassischen Rennmotors wird hier nicht geboten; wer 2016 die 24 Stunden von Le Mans besucht hat, konnte das schon damals beobachten. Auch beim Serienauto wird der Geschwindigkeitszuwachs wird von einem permanenten Pfeifen, Zischen und Rauschen begleitet. Ein Handschaltgetriebe gibt es im übrigen nicht: Eine Doppelkupplungs-Automatik, so Ford, liefert bessere Performance.

Die Hochleistungs-Bremsanlage greift gnadenlos zu – wir sind in beinahe jeder Kurve zu früh aufs Pedal gegangen. Im Vergleich zu anderen Supercars wie dem McLaren 675LT ist das Pedalgefühl dennoch alltagstauglich. Bei höheren Tempi unterstützt eine aerodynamische Luftbremse. Die hydraulische Servolenkung ist nicht ganz so spitz ausgelegt wie bei einigen Konkurrenzmodellen, aber sie reagiert immer noch ungewöhnlich sensibel.

Es gibt verschiedene Fahrmodi; sie hören auf die Bezeichnung Wet (nass), Normal, Sport, Track (Rennstrecke) und Vmax. In den drei gehobenen Modi sind die Turbolader permanent auf Drehzahl: Ford nennt das System “Anti-Lag”, es sorgt für ansatzlose Beschleunigung. Im “Track”-Modus verringert sich die Bodenfreiheit auf knapp 7 cm, und die aerodynamische Bremse wird leicht angehoben. Das Getriebe peitscht die Gänge wie ein sequentielles Formel-Eins-Getriebe hinein. Und wenn man zu aggressiv aus einer Kurve herausbeschleunigt, schwänzelt der 1385 Kilogramm leichte GT auf seinen Michelin Pilot Sport Cup 2-Reifen heftig, bevor ihn die (hoffentlich eingeschaltete) Stabilitätskontrolle wieder einfängt.

Fahrer und Beifahrer sitzen in einer außergewöhnlich eng geschnittenen Fahrgastzelle, die die über Scherentüren bestiegen wird. Doch während man in einem aktuellen Ferrari oder Lamborghini großzügige Platzverhältnisse genießt, geht es im Ford GT klaustrophobisch zu; ein Wunder, dass überhaupt Raum ist, einen Sturzhelm zu tragen. Der Fahrer sitzt gefühlt nur Millimeter vom Beifahrer entfernt. Und der Kofferraum? Nicht der Rede wert.

Dafür sitzen die Schalter genau dort, wo sie hingehören, nicht wenige davon direkt auf dem mit Mikrofaser bezogenen Lenkrad. Irgendwo gibt es auch einen Cupholder. Und die Digitalinstrumente erstrahlen je nach Fahrmodus in verschiedenen Designthemen. Übrigens ist die Verarbeitung bemerkenswert solide; die Endmontage erfolgt beim kanadischen Rennsport-Spezialisten Multimatic.

Eine echte Rennmaschine

Die Entwicklungs-Mannschaft ist extrem stolz auf ihren Supersportwagen. Nordamerika-Designchef Chris Svensson etwa hat unzählige Autos gezeichnet und auf die Straße gebracht – aber der GT, so erzählt er, ist jenes, mit dem er dauerhaft in Verbindung gebracht werden möchte.

Wer jetzt einen GT kaufen möchte, dem wünschen wir viel Glück: Ford hat die Käufer der ersten Tranche in einem mehrstufigen Prozess vorselektiert, und nur wenige Bewerber erhielten letztlich den Zuschlag für die 500 Exemplare der ersten zwei Baujahre. 2017 werden 250 weitere Kunden abgearbeitet, die in den ersten zwei Jahren nicht zum Zuge kamen. Nur für die letzten 250 Stück, die 2019 gebaut werden, wird man sich nochmals bewerben können.

Wer positiven Bescheid erhält, darf anschließend mindestens eine halbe Million Euro nach Dearborn überweisen. Und die wird er sich, so unsere Prognose, bei einem zukünftigen Weiterverkauf gut verzinst zurückholen können.


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QuelleJeff Jablansky
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