Der Porsche Cayenne, sportlichster unter den SUV, geht in seine dritte Modellgeneration – und wir hatten Gelegenheit, das so rennstrecken- wie geländetaugliche Modell auf Kreta probezufahren. Die Touristen sind im Spätherbst weitgehend verschwunden, die Insel gehört den Kretern. Und dem Cayenne – einem Auto, das wie kein anderes einen Dominanzanspruch auf der Sraße formuliert. Wir haben aufgeschrieben, was uns aufgefallen ist:
Die MLB-Plattform ist Messlatte
Mit der dritten Modellgeneration wandert der Cayenne auf eine völlig neue Fahrzeugarchitektur: Die frühere Plattform, überaus robust und ursprünglich sogar für militärische Anwendungen konzipiert, weicht dem modularen Längsbaukasten (MLB), von Audi entwickelt und längst konzernweit im Einsatz. Der neuen Cayenne steht auf der Ausbaustufe MLB Evo. Und damit ist er nicht nur leichter, sondern er hat auch Zugriff auf den gigantischen Baukasten von Fahrdynamik-, Assistenz- und Telematik-Modulen. Weder BMW noch Mercedes-Benz kommen hier momentan mit.
Die Querdynamik ist surreal
In der Basisausstattung war er nicht zu fahren, doch wenn mit der Dreikammer-Luftfederung, Wankstabilisierung, Hinterachslenkung und einem Torque-Vectoring-System zur Verteilung der Antriebsmomente ausgerüstet ist, kann dem Cayenne kaum ein Sportwagen davonfahren. Erstmals besitzt der Cayenne Mischbereifung, und die Radgrößen sind gewachsen – auf 19 bis 21 Zoll. Zudem gibt es drei verschiedene Bremsanlagen bis hin zur Keramikbremse. Das Fahrverhalten ist Go-Kart-artig und vielleicht etwas zu zackig; der Grenzbereich ist extrem hoch angesiedelt.
Auf oder abseits der Straße
Platz gibt es reichlich im neuen Cayenne, und der Kofferraum ist nochmals deutlich gewachsen. Das Fahrgefühl ist angenehm straff und keineswegs ermüdend; angenehmer kann man kaum reisen. Das Panoramadach ist geradezu riesig. Die Geländegängigkeit ist eindrucksvoll, und gerade in Verbindung mit der optionalen Allradlenkung lassen sich auch enge Kehren ohne Zurücksetzen meistern. Es gibt bis zu 24 cm Bodenfreiheit; die Wattiefe bei Wasserdurchfahrten liegt bei 52,5 cm. Limitierender Faktor im Gelände ist die Hochgeschwindigkeitsbereifung. Und der Mut des Fahrers.
Interieur fast auf Panamera-Niveau
Die Armaturentafel des Cayenne ist hochmodern: Sie verfügt über digitale Instrumente, genau wie der Panamera, und die Mittelkonsole präsentiert sich als berührungsempfindliche Fläche mit großzügiger Verglasung. Stilistisch nimmt das Interieur den Look des Vorgängers auf, gleichzeitig ist das Bedienkonzept völlig neu konzipiert – ebenfalls wie beim Panamera. Die Unterschiede zur deutlich teureren Nobel-Limousine liegen nicht im Infotainment, sondern in den Materialien: Das Panamera-Interieur ist noch etwas nobler ausgeführt als jenes des Cayenne. Wir hätten die Cupholder im Cayenne vorn und hinten lieber abgedeckt; gerade die Lösung im Fond ist unter dem sonstigen Niveau dieses SUV. Gleiches gilt für das dünne Laderaumrollo.
Der Antrieb hat Charakter
Alle Cayenne-Versionen sind mit einem Achtgang-Automaten und heckbetontem Allradantrieb ausgerüstet; die Motoren entstammen einer neuen, noch unter Wolfgang Hatz aufgesetzten Kooperation zwischen Porsche und Audi, wobei Porsche die Entwicklungsführerschaft für die Achtzylinder besitzt, Audi hingegen für die Sechszylinder zuständig ist.
Unter der Fronthaube der Einstiegsversion steckt ein 3,0-Liter-V6-Turbo (340 PS/245 km/h), der objektiv schnell genug ist, akustisch jedoch bisweilen etwas angestrengt klingt und von einer aggressiveren Gaspedalkennlinie profitieren würde. In einer anderen Liga spielt der Cayenne S mit seinem 2,9-Liter-V6-Biturbo (440 PS/265 km/h); er wirkt viel leichtfüßiger und klingt aggressiver. Den oberen Abschluss bildet der brutale Cayenne Turbo mit 4,0-Liter-V8-Biturbo (550 PS, 286 km/h); er ist der ultimative SUV.
Das Portefeuille ist noch nicht komplett
So eindrucksvoll der Cayenne Turbo zur Sache geht: Ein Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio beschleunigt schneller, ein Bentley Bentayga liegt in der Vmax höher. Es gibt also Optimierungspotential; vielleicht liefert der kommende Cayenne Turbo S E-Hybrid mit 680 PS die gewünschten Fahrwerte, schöner wäre allerdings ein Topmodell ohne schwere und komplexe Hybridisierung. Es wird auch einen Plug-in-Hybrid mit V6-Ottomotor geben.
Viel wichtiger: Der Diesel, der zumindest in einer Variante auf den Markt kommen wird. Unklar ist nach wie vor, ob nun der V6 TDI (320 PS) oder der V8 TDI (422 PS) lanciert wird; technisch möglich wäre beides. Hoffentlich kann sich Porsche dazu durchringen, beide Varianten zu bringen.
Der Cayenne ist schöner geworden
Vorn und an der Seite muss man schon genauer hinschauen, um den Cayenne von seinem Vorgängermodell zu unterscheiden, das Heck jedoch sieht viel eleganter aus: Es wird durch ein horizontales Leuchtenband geprägt, das dem neuen Modell eine geradezu futuristische Aura verleiht.
Jene Zeitgenossen, denen der Porsche Cayenne seit jeher als Projektionsfläche für Neid und Gesellschaftskritik dient, werden sich weder von seinen objektiven Qualitäten noch von seinen niedrigen Verbrauchswerten beeindrucken lassen. Ihnen sei zum Trost gesagt, dass einer massenhaften Verbreitung des Cayenne schon sein Preis entgegensteht: Stolze 74 828 Euro werden für das Grundmodell fällig, doch wer sich im Konfigurator nicht äußerster Diszplin befleißigt, landet unversehens im sechsstelligen Bereich.
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