Ein großer Erfolg war der VW Jetta in Deutschland schon lange nicht mehr. Nach den ersten zwei Generationen kam der dritte Jetta als betulicher Vento auf den Markt, anschließend kam der schicke und sportliche Bora. Er war das letzte Modell der Baureihe, dass sich hierzulande in eindrucksvollen Stückzahlen absetzen ließ. Die fünfte Generation wirkte plump, mit der sechsten Generation koppelte sich der Jetta dann technisch vom Golf ab und wanderte auf eine billigere Plattform. Jetzt kommt die siebte Generation auf den Markt – aber nicht mehr in Deutschland. Wir sind sie trotzdem gefahren.
Schon bei der Pressekonferenz wird klar: Die Idee vom “3er light”, die Ferdinand Piëch einst mit dem Bora ernsthaft verfolgt hat und die in den USA mit den sportlichen GLI-Varianten weiterlebte, ist mit der neuen Modellgeneration begraben. Volkswagen will in den Massenmarkt einbrechen und orientiert sich deshalb direkt an Vorbildern wie dem Toyota Corolla und dem Honda Civic mit Stufenheck. Mit dem sportlichen Premium-Ansatz ist es vorbei.
Und so hoben die Pressesprecher den gesenkten Einstandspreis hervor (rund 15 000 Euro), sie hielten sich mit dem optional verfügbaren 400-Watt-Audiosystem der Marke Beats und dem berührungsempfindlichen 8-Zoll-Bildschirm auf und priesen schließlich Sicherheitssysteme wie die serienmäßige Rückfahrkamera und die automatische Bremsfunktion an.
Immerhin ist die neue Modellgeneration auf die gleiche MQB-Architektur gewandert, die vom aktuellen Golf bis zum Geländewagen Atlas Verwendung findet. Unter der Haube sitzt ein 1,4-Liter-Turbo, der seine 150 PS Leistung und 250 Nm Drehmoment über eine 6-Gang-Handschaltung oder eine 8-Gang-Automatik auf die Vorderräder schickt. Bezeichnenderweise gibt es die Handschaltung nur noch in der kostengünstigen Basisversion und nicht etwa in der mit Spoilern und angedeuteten Lufteinlässen aufgemöbelten Variante R-Line.
Kuriose Nomenklatur
Die fünf Ausstattungslinien hören auf die kuriosen Bezeichnungen S, SE, R-Line, SEL und SEL Premium. Automobilhistoriker mögen sich dabei an historische S-Klasse-Generationen erinnert fühlen, wir halten jedoch fest, dass man sich in den USA die auf dem deutschen Markt verwendeten Anglizismen Trendline, Comfortline und Highline erspart.
Der neue Jetta wirkt kompakt, aber er ist in allen Dimensionen etwas größer als das Vorgängermodell. Der längere Radstand ist im Fond deutlich spürbar, auch Erwachsene mit langen Beinen haben dort reichlich Platz. Der Kofferraum fasst immerhin 400 Liter Gepäck, das Armaturenbrett ist aufgeräumt und die populären, wenngleich mängelbehafteten Systeme Apple Car Play und Android Auto gehören zur Serienausstattung.
Auf der Straße gefällt der neue Jetta mit seinem ruhigen Motor und seiner komfortablen Abstimmung. Der turbogeladene Vierzylinder kann im Verkehr gut mitschwimmen, er ist leise und verfügt schon bei niedrigen Drehzahlen über reichlich Drehmoment. Zum Schnellfahren verleitet der Jetta trotzdem nicht. Dafür sorgt schon das Fahrwerk, bei dem die bisher verwendete Mehrlenkerachse durch eine kostengünstigere Torsionsstab-Konstruktion ersetzt wurde. Der Jetta wirkt damit zwar komfortabel, aber das Handling bleibt blass und die Servolenkung wirkt diffus.
Wenn es das Ziel von Volkswagen war, den Jetta näher an seinen Konkurrenten und damit tiefer zu positionieren, dann wurde der Auftrag übererfüllt. Ein wenig mehr Präzision, Lenkgefühl oder Extravaganz im Design wäre eine willkommene Reminiszenz an die sportliche Kompaktlimousine, die er einmal war. Nach Europa passt dieser Jetta eigentlich nicht mehr.
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