Daimler hat sich das Urlaubsland Spanien ausgesucht, um die geliftete Mercedes-Benz V-Klasse vorzustellen – und das paßt gut zu der Baureihe, mit der nicht zuletzt junge Kunden im Blick hat. Es geht darum, die Stärken der V-Klasse weiter zu unterstreichen und sich weiter von der Konkurrenz aus Hannover abzusetzen: Volkswagen wurde 2014 vom Premium-Ansatz der V-Klasse geradezu kalt erwischt.

Die Überarbeitung ist schon optisch deutlich sichtbar: Frontstoßstange, Rautengrill und eine auffällige AMG-Linie lassen die Mercedes-Benz V-Klasse je nach Geschmack elegant oder sportlich erscheinen. Und das facelift ist den Daimler-Designer auch im Interieur gut gelungen: Die Oberflächen wirken auch in der Basis, mit aufgedruckten Linien, sehr hochwertig. Weniger überzeugend ist leider die gehobene Variante mit dem Holzimitat, das allzuleicht als Attrappe zu erkennen ist. Und die vordere Mittelkonsole ist dem Raumgefühl nicht zuträglich. Dafür ist die Verarbeitung perfekt.

Erstmals gibt es in der V-Klasse, was Daimler in puncto Sitze, Belüftung, Massage und Heizung als “First Class” bezeichnet; das Fahrzeug läßt sich damit mit für bis zu acht Personen flexibel “bestuhlen”. Uns gefallen die Basissitze jedoch besser: Sie geben hevorragenden Seitenhalt, wenn man es zügig angehen läßt. Gerade hinten sind die “First-Class”-Sitze jedoch unübertroffen: Sie sind elektrisch verstellbar, der untere Bereich läßt sich nach oben fahren. Hervorragend: Der Laderaum faßt je nach Version bis zu 5010 Liter Gepäck.

Nicht fehlen dürfen die Assistenzsysteme, die den Fahrer beinahe lückenlos überwachen und ihm jede Unaufmerksamkeit und Regelüberschreitung ankreiden. Manche dieser Systeme sind tatsächlich so wirksam, daß sie die Fähigkeiten des Fahrers verbessern – etwa der Seitenwindassistent, der einst in den Mercedes-Vans seine Premiere feierte. Die V-Klasse wartet mit bis zu 13 elektronischen Helferlein auf; in der Variante Marco Polo sind sie allesamt an Bord.

Beim Marco Polo handelt es sich um eine sehr hochwertig ausgeführte Version für Campingfreunde, die man pfleglich behandeln sollte: Helle Sitze, helle Verkleidungen, ein Boden aus Bootsdeck-Imitat und Glasabdeckungen über dem Herd erinnern eher an ein anspruchsvolles Designer-Loft als an ein rustikales Outdoor-Refugium.

Es gibt übrigens auch ein kleines, aber feines Angebot an Umbauten von externen Ausstattern. Die Stückzahlen sind so gering, daß der Markt für Daimler selbst weniger interessant ist: “Wir freuen uns über jede Basis-V-Klasse, die verkauft wird”, heißt es dort.

Der Einstiegs-Diesel überzeugt

Die vielleicht wichtigste Neuerung der Mercedes-Benz V-Klasse ist der OM-654-Dieselmotor, der sich bereits in der E-Klasse bewährt hat; er ist an einen Wandlerautomaten mit neun Stufen gekoppelt. Uns hat die Einstiegsvariante V220d mit 163 PS gefallen: Die Leistungsentfaltung ist linear, die Maschine erlaubt souveränes Überholen und zieht auch am Berg gut an.

Überraschenderweise konnte die neue Spitzenmotorisierung, eine 239 PS starke Variante des gleichen Motors, nicht ganz überzeugen: Die Maschine wirkt bei höheren Drehzahlen lauter und brummiger, von der erklecklichen Mehrleistung ist nicht viel zu spüren. Das dürfte allerdings auch mit dem getesteten Aufbau zu tun haben: Der von uns gefahrene V300d, ein mehr als 2,7 Tonnen schwerer Marco Polo mit Dachaufbau, bringt stolze 447 Kilo mehr als der V220d mit kurzem Radstand und Basisausstattung auf die Waage. Und das Gewicht macht sich auch im Verbrauch bemerkbar: Laut Bordrechner haben wir im V220d nur 8,1 Liter, im V300d Marco Polo hingegen 9,9 Liter pro 100 Kilometer konsumiert.

In beiden Versionen schaltet das Getriebe komfortabel durch, der Efficiency-Modus, der bislang zugunsten des Verbrauchs das Drehmoment gekappt hat, wurde abgeschafft: Es handelt sich dabei um einen Kollateralschaden des hochgepriesenen WLTP-Zyklus. Der extreme Aufwand, um noch einen zusätzlichen Öko-Fahrmodus zu homologieren, ist nicht mehr vertretbar. Immerhin gibt es einen Dynamik-Modus; wird er eingeschaltet, prangt im Kombiinstrument der Buchstabe “S”.

Einen Benziner gibt es in der V-Klasse nicht: Van-Kunden sind leistungs- und kostenbewußt und haben keine Lust, permanent nachzutanken. Die V-Klasse ist ein klassisches Dieselfahrzeug.

Bei dem übrigens auch die Querdynamik durchaus überzeugen kann: Der kurze V220d ist auch bei zügiger Fahrt gutmütig und berechenbar, die Wankneigung hält sich in Grenzen, der Wendekreis ist relativ klein und mit einer Höhe von unter 2 Metern läßt er sich gut durch Tiefgaragen, Waschstraßen und enge Gassen dirigieren. Daß der von uns gefahrene V300d stärker wankte, liegt am höheren Schwerpunkt, der auf den Dachaufbau zurückzuführen ist. Für beide Modelle gilt: Die Bremse könnte etwas präziser ansprechen, die Lenkung mehr Rückmeldung geben.

Dennoch gilt: Die neue Mercedes-Benz V-Klasse bietet Van-Fahren in eines besonders überzeugenden Form. Die Preise beginnen bei 39 632 Euro, der schicke Marco Polo kostet ab 58 060 Euro. Das ist preiswert, aber nicht billig. Und so wird mancher anvisierte junge Kunde wohl auch noch einmal bei der Bank vorsprechen müssen.


NEWSLETTER ABONNIEREN

Unser Newsletter liefert täglich die neuesten Artikel und die spannendsten Geschichten direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Geben Sie uns einfach Ihre E-Mail-Adresse und los geht Ihr kostenloses Newsletter-Abonnement.

Kommentieren Sie den Artikel

Please enter your comment!
Please enter your name here