Genf 2019: Volvo und Jaguar Land Rover sind nicht zugegen. Opel fehlt, desgleichen Chevrolet, Cadillac, Ford, Mini… Lohnt sich die Fahrt? Genf ist ja nicht gerade um die Ecke.

Doch der Besuch ist lange Tradition. Und wir waren überrascht: Die freien Flächen wurden mit Ausstellern gefüllt, die viel interessantere Exponate hatten als die fehlenden Volumenanbieter. Tatsächlich war es selten so unterhaltsam und lohnend, in die Schweiz zu fahren. Wir haben unsere Eindrücke photographisch festgehalten.

Ein Feuerwerk von fünf Studien gab es bei Aston Martin zu sehen – vier davon als Sportwagen auf Mittelmotor-Chassis. Der Aston Martin Vanquish Vision (oben) glänzt mit dynamischer, fließender Linienführung. Sehr ausgewogen und sympathisch in der Erscheinung – und erfrischend kompakter, als man es von Sportwagen in letzter Zeit gewohnt war.

Dieser Aston ist sehr modern im Design, aber fast so niedrig wie die Sportwagen aus den 1970ern. Großartig: Ein hochattraktiver Konkurrent zu Ferrari 488 und F8, Lamborghini Huracàn und der zukünftigen Mittelmotor-Corvette.

Eine beinahe hübsche Heckansicht mit fein ausbalancierter Formgebung und ohne Rückfenster: Das übernehmen Kameras.

Die Mittelmotor-Architektur stammt von dieser Studie namens Valkyrie, die schon letztes Jahr in Genf gezeigt wurde. Als Basis für ein Rennfahrzeug mit V12-Motor für Langstreckeneinsätze und eine Zielhöchstgeschwindigkeit von über 400 km/h.

Mehr Aerodynamik geht nicht.

Fast schon floral in der Gestaltung, spektakulär und vergleichsweise klein, so, wie Rennwagen einst einmal waren. Phantastisch!

Der Aston Martin RB-001 ist die von der Rennwagenstudie abgeleitete Straßenversion mit dem gleichen V12, die als hier fahrfertiger Prototyp für eine Kleinserie vorgesehen ist – für die Kleinigkeit von etwa 1,5 Millionen Euro.

Der Aston Martin RB-003 ist eine mildere Version unterhalb des RB-001, aber noch deutlicher dem Rennwagenkonzept nahe als der schöne Vanquish Vision.

Unter der Marke Lagonda präsentiert Aston Martin einen viersitzigen Sportswagon, der nicht zuletzt von einer Limousinen-Studie des letzten Jahres abgeleitet ist und sehr skulptural und modern daherkommt.

Kia zeigt eine Kompakt-Limousine mit neuer Interpretation der “Tigernase”. Offenbar in Aluminium gefertigt und hochpoliert, präsentiert sich das ruhige, aber kräftige Design mit interessanten Leuchteneinheiten.

In einer sensationellen Light-Show waren Fotos wie Design-Renderings möglich. Sehr cool!

Alfa Romeo zeigt ein unerwartetes Highlight mit einem kleinen SUV, ähnlich dem Jaguar E-Pace. Die Karosseriesektionen sind meisterhaft ausgeführt und modelliert. Die Fahrzeugschulter zeigt eine Seitenlinie, wie sie die Giulia Sprint GT von 1967 aufweist – und die Front nimmt eine neue und weniger aggressive Interpretation des berühmten Alfa-Romeo-Grills auf.

Ein Alfa-Romeo-typisches Heckfenster und eine modernes, aber originelles Leuchtendesign verhelfen zu einem sehr ausgewogenen, gefälligen Fahrzeug. In diesem Konzept ist sehr viel Alfa-Romeo-DNA erfolgreich eingearbeitet.

Eines der radikalsten Clamshell-Autos ist wieder da: Der Stratos. Diesmal nicht als Lancia und nun als 8-Zylinder auf der Basis eines Ferrari 430. Aus der Idee von Michael Stoschek, Eigner des Autozulieferers Brose, entstand ein Einzelstück nach dem Design von Pininfarina (Das Original wurde von Bertone entworfen). Nun, nach fast 10 Jahren, werden 25 Exemplare in Kleinserie gefertigt – hier Nummer 3 und 4. Einer sogar in den Alitalia-Farben der ursprünglichen Rallyeautos. Wunderbar!

Ferrari stellte nach erstaunlich kurzer Zeit mit dem F8 tributo bereits den Nachfolger des 488 vor, der eigentlich nur ein Facelift ist. Nach dem formschönen Concept Car SP1 und SP2 aus Paris und dem glattflächigen Portofino eher eine Enttäuschung. Das Heck wirkt besser, aber ansonsten machen zuviele Öffnungen und umständliche Details das moderne Bild wieder zunichte. Und als Name “tributo”? Eine Anspielung auf die Steuerabgaben, die den Eignern blühen?

Pininfarina hat es mit seinem traditionellen Concept Car in Genf deutlich besser gemacht als Ferrari. Proportionen und Erscheinung sind dem Ferrari F8 tributo nicht unähnlich, aber viel dynamischer, glatter und aufgeräumter mit einer sehr originellen Heck- und Rückleutenpartie. Ein Elektroauto mit weit weniger Kühlflächen, aber wahnwitzigen 1900 PS durch vier Elektromotoren. Drei Fahrzeuge wurden schon gebaut. Hoffentlich wickelt sich damit kein Anfänger um den nächsten Baum.

Polestar, die Elektromarke von Volvo, zeigt mit dem Polestar 2 eine Kompakt-Limousine mit interessanten Proportionen. Kurze Haubenflächen, aber eine lange Fahrgastkabine bei relativ kurzen Gesamtabmessungen und volvotypisch aufgeräumten Flächen ergeben eine sehr moderne Erscheinung. Die über das Heck durchgehende Rückleuchteneinheit ist schlicht, aber sehr markant.

Bugatti und CEO Stephan Winkelmann zelebrieren 80 Jahre Bugatti 57 Atlantic, ein nur viermal gebautes Stromlinien-Coupé, von dem nur noch drei Originale existieren. Ein schwarzs Exemplar ist heute im Besitz von Ralph Lauren. Es war zeitweise das teuerste klassische Automobil.

Offenbar sah sich Bugatti bemüßigt, einen Hyper-Sportwagen mit dem höchsten Neuwagenpreis von etwa 18 Millionen Euro und dem bemerkenswerten Namen “La Voiture Noire” zu bauen. Von der originellen Rücklichteinheit einmal abgesehen fällt das Design eher konservativ aus. Durch die dem Original nachempfundene schwarze Lackierung ohne Kontraste ist die Gesamtform schwer zu analysieren; einer eindrucksvollen Präsentation ist das eher abträglich.

Der bereits am Pressetag in Paris gezeigte Bugatti Divo ist auch in Genf wieder zu sehen und wirkt aufgrund besserer Beleuchtung viel aufregender. Dieser für “nur” 3,5 Millionen Euro zu habende Bugatti zum Sparpreis erscheint nicht unbedingt schöner, zeigt aber interessante Details.

McLaren ist mit dem wunderschönen 720 S vor Ort, aber nun als Spyder mit elektrisch in 11 Sekunden versenkbarem und verschließbarem Glaskuppeldach.

McLaren brachte nur für den ersten Pressetag das spektakuläre Einzelstück “Speedtail” mit. Diese sehr schlichte, aber dynamisch gehaltene Formgebung eines Langheck-Sportwagens mit verkleideten Vorderrädern und etwas eigenartigen Scheinwerfern war durchaus ein Highlight.

Porsche bot traditionsbewußt wieder einmal das beste Menü und Weinsortiment der Messe – und dazu noch das neue Cabriolet des 992-Modells.

Der als “The perfect sporting partner” bezeichnete Original-911er kam dennoch sympathischer daher.

Audi zeigt eine Anzahl neuartiger, grimmig dreinblickender Fahrzeuge, vorzugsweise elektrisch betrieben, von denen der e-tron GT stilistisch der stimmigste ist. Aber irgendwie verzettelt man sich auch dort.

Peugeot zeigt nach Paris noch einmal den dem Peugeot 504 Coupé nachempfundenen e-Legend. Ebenerdig positioniert ist er hier viel besser präsentiert. Nur zeigt sich auch hier, daß dieses attraktive Design durch die unglücklich steif gestalteten Kotflügel mit theoretischen Kanten aus den Radläufen in die Schulterlinie nicht gut funktionieren.

Das eher schlichte, aber mit türkisfarbenem Samt ausgeschlagene Interior mit vollversenkbarem Lenkrad hingegen ist ein Knaller.

Seat präsentiert einen gut gemachten, dynamisch geformten Sub-SUV ähnlich dem Alfa Romeo Tonale, aber mit etwas agressiverem Erscheinungsbild. Die durchgehenden Rückleuchteneinheiten sind derzeit ganz groß in Mode. Aber warum nicht…?

Skoda präsentiert ein verspätetes, unnötiges Monster-SUV-Coupé ähnlich den BMW X4/X6 und den Mercedes-GLC-Unglaublichkeiten, aber es ist auch keinen Deut schöner. Wenigstens traute man sich noch, ein Model – wenn auch mit männlicher Begleitung – beizustellen. Ansonsten hat die durchgeknallte Ideologie der “Political Correctness” auch auf dem Genfer Autosalon so gut wie alle Damen vertrieben! Großenteils kommt man sich vor wie auf einer androgynen Convention in tristem Grau. Aller Charme und alle Anmut sind dahin. Was für ein verklemmtes Armutszeugnis!

Es gab mal eine Ära der Eleganz bei Rolls Royce. Nun bietet man uns nur noch ein vergrößertes London-Taxi in Kleinbusformat, wenn auch mit Champagner und Edelgläsern im Gepäck. Ein eigenartiges Bild des gediegenen Reisens scheint sich bei dieser Marke eingenistet zu haben.

Oder haben Sie je Leute auf dem Kofferraumdeckel eines Rolls Royce in idyllischer Heide sündhaft teure Alkoholika zu sich nehmen sehen?

Auch Putin läßt nun endlich das bauen, was sein Volk schon immer dringend brauchte: Den Anti-Rolls Royce. Aurus nennt er sich, wiegt gepanzert zwischen 5 und 9 Tonnen, je nach Radstandslänge. Innen wirkt er moderner, aber auch weniger nobel als ein Bentley oder Rolls Royce. Vor allem in der Bezugsmaterialwahl und der mechanischen Zuverlässigkeit ist noch großer Raum nach oben. Von außen wirkt er wie ein etwas höherer und kantigerer Bentley Arnage von 2001.


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QuelleAndreas Herker
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