Es gibt verschiedene Arten, den Besitz eines Elektroautos zu betrachten. Manche sehen in ihnen ein geeignetes Mittel, den ökologischen Fußabdruck der individuellen Mobilität zu verringern. Andere sind von ihren spezifischen Charakteristika und Fahreigenschaften überzeugt. Und wieder andere deuten sie als Werkzeug der sozialen Distinktion; sie dokumentieren nicht nur Gesinnung, sondern vor allem die finanzielle Potenz ihres Besitzers. Zur letztgenannten Gattung paßt mit Sicherheit der elektrische Geländewagen Hummer EV SUV, der seit kurzem das Portefeuille der GM-Tochtermarke GMC krönt.

Aggressiver Auftritt: Der Hummer EV SUV

In Brooklyn, wo sich unser Büro befindet, sorgt dieser Testwagen aber nicht nur deshalb für hochgezogene Augenbrauen. Denn der Parkraum ist knapp, und der Hummer EV sprengt visuell jedes Maß. In Wahrheit jedoch ist er vor allem breit (2,19 Meter, ohne Spiegel) und hoch (1,98 Meter), mit exakt fünf Metern hält sich seine Länge hingegen in Grenzen. Das Design jedoch stellt fast alles andere in den Schatten, was in New York herumfährt, und sorgt je nach Geschmack des Betrachters für begeisterte Zustimmung, für Mißfallen oder gar Entsetzen. Die Kritik an diesem Modell füllt übrigens ein eigenes Unterkapitel auf der englischen Wikipedia-Seite.

Der martialische Auftritt kommt nicht von ungefähr, führt dieser Hummer doch die Traditionslinie des originalen HMMVV (Humvee) fort. Dabei handelt es sich um jenes 1985 vorgestellte Militärfahrzeug, das mit dem US-Krieg im Irak zu fragwürdiger Berühmtheit gelangte.

Ein wenig Historie: 1992 hatte GM unter der Bezeichnung Hummer H1 eine zivile Variante präsentiert, dann kamen die Modelle H2 und H3, und mit dem geplanten kompakten Modell auf Basis der Studie HX hätte Hummer der Konkurrenz von Jeep vermutlich ganz schön Beine gemacht. Doch die große Krise der US-Autoindustrie kam dazwischen, Obamas “Autozar” Steven Rattner verfügte kurzerhand die Schließung der Marke, das gab damals billigen Applaus. Und auch ihre Wiederauferstehung als Elektro-Submarke von GMC passierte unter fragwürdigen Umständen; sie soll der von GM-Chefin Mary Barra (bislang) favorisierten E-Mobilität offenbar ein wenig Glanz verleihen.

Die Hinterräder lassen sich in beide Richtungen einschlagen

Wenn schon, denn schon: Unser Hummer EV ist mit dem „Extreme-Off-Road“-Paket ausgerüstet. Dabei werden die serienmäßigen 22-Zoll-Räder durch 18-Zoll-Räder ersetzt, auf die 305er-Geländereifen der Serie 70 aufgezogen sind. Außerdem gehören elektronische Sperrdifferentiale vorn und hinten sowie ein metallener Unterfahrschutz und massive Schleppösen zum Paket.

Und es gibt noch eine Reihe weiterer Merkmale, mit denen sich dieser elektrische Geländewagen eine Alleinstellung erwirbt. Zum Beispiel die „Crab-Walk“-Funktion, bei der Vorder- und Hinterreifen in die gleiche Richtung eingeschlagen werden, um sich seitwärts aus prekären Situationen herauszumanövrieren. (Besonders intuitiv funktioniert das übrigens nicht.) Per Knopfdruck kann das Fahrwerk auf mehr als 40 Zentimeter Bodenfreiheit hochgefahren werden; die Kraftverteilung ist variabel und kann auf verschiedene Untergründe abgestimmt werden.

Kameras allenthalben

Beste Voraussetzungen also für das Fahren abseits befestigter Straßen, jedenfalls sofern sich der Hummer dort mit seinen ausladenden Abmessungen und seinem enormen Gewicht nicht selbst im Weg steht. Denn er bringt bereits in leerem Zustand rund 4,2 Tonnen auf die Waage, wovon rund anderthalb auf das Konto der 217-kWh-Lithium-Ionen-Akkus gehen dürften. Mancher Geländewagen ist leichter als die Batterien des Hummer-SUV.

Kompensiert wird das Gewicht durch einen Drei-Motoren-Antrieb mit zusammen 619 kW (830 PS). Ein beherzter Tritt aufs Fahrpedal wuchtet den Hummer EV SUV in rund 3,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h, und zwar unter heftigem Aufbäumen des Vorderwagens. Bei 180 km/h setzt der Abregler dem Vorwärtsdrang ein jähes Ende, keineswegs zu früh, denn die Bremsleistung läßt ebenso zu wünschen übrig wie das Pedalgefühl. Kurven liebt der Hummer auch nicht besonders; die Seitenneigung ist erheblich, das Gewicht jederzeit zu spüren. Die Reichweite soll übrigens rund 500 Kilometer betragen, ein ambitionierter Wert, der (elektrotypisch) regelmäßig unterboten wird.

Kantig, futuristisch, geräumig

Das Ambiente im Interieur des Hummer ist ebenso polarisierend wie die Außenhaut, wir würden es als techno-futuristisch und geradezu brutalistisch bezeichnen. Jedenfalls gibt es für fünf Passagiere reichlich Platz, und die herausnehmbaren Dachmodule lassen viel Licht und Luft ins Auto. Auch die Ladekapazität kann sich sehen lassen: Es gibt neben dem regulären Kofferraum hinter der Rückbank einen großzügigen „Frunk“ unter der Fronthaube. Mindestens 96.550 Dollar, umgerechnet rund 92.000 Euro, müssen für dieses gewaltige SUV den Besitzer wechseln. Das von uns gefahrene 3X-Modell mit drei Motoren und Off-Road-Paket kostet umgerechnet 120.000 Dollar.

Amerikanisches Selbstbewußtsein: Der elektrische Hummer

Eigentlich paßt er gut in das Amerika des Jahres 2025. Mit einer Ausnahme: Die Elektromobilität dürfte dort mit dem kommenden Wegfall der Subventionen nicht mehr wachsen, vermutlich sogar einbrechen. Vielleicht prüft GM ja einmal, ob auch ein klassischer Antrieb unter die Karosserie paßt. Zum Beispiel der famose 6,6-Liter-V8-Duramax-Turbodiesel aus dem eigenen Hause.


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