Daimler hat die Messlatte weit nach oben gelegt: Als “ersten Pickup eines Premiumherstellers” bezeichnet der Pressetext die neue Mercedes-Benz X-Klasse. Das neue Modell verfügt über bemerkenswert vielfältige Gene: Technische Basis ist der Japaner Nissan Navara, und gebaut wird er in Spanien. Optische Anleihen nimmt er an die Studie G-Code, die in Kalifornien gezeichnet wurde. Und seine Weltpremiere feierte er am Kap der Guten Hoffnung.

Nach Smart und Citan sowie diversen Motoren ist die X-Klasse ein weiteres Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem Renault-Nissan-Konzern. Doch er will ganz anders sein als der in seinen Eigenschaften eher durchschnittliche, dafür jedoch kostengünstige Navara: “Die X-Klasse ist der erste Pickup, der neben Off- auch herausragende Onroad-Performance bietet,” proklamieren die Schwaben.

Wie nahe diese Ankündigungen an der Realität liegen, dafür dürfte man sich vor allem in Hannover interessieren. Dort residiert die Nutzfahrzeug-Division von Volkswagen, deren Pickup-Modell Amarok gerade einem umfangreichen Facelift unterzogen wurde. Seitdem schnurrt unter der Haube der bärenstarke 3,0-Liter-V6-TDI von Audi mit bis zu 224 PS, und die Materialqualitäten liegen beinahe auf Touareg-Niveau.

Bis die X-Klasse mit einem entsprechenden Aggregat aufwarten kann, verstreicht noch ein Jahr. Dann allerdings wird er den Amarok in der Leistung überholen: Der 3,0-Liter-V6-Biturbo im X 350 d leistet 258 PS, die über eine 7-Gang-Automatik permanent auf alle vier Räder übertragen werden. Sein Mercedes-Getriebe wird elektronisch angesteuert, unter anderem über Lenkradpaddel.

Bis diese Variante auf den Markt kommt, bescheidet sich die X-Klasse allerdings mit Hausmannskost. Nämlich mit einem aus dem Nissan Navara bekannten 2,3-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel mit 163 oder 190 PS, der seine Kraft über eine 6-Gang-Handschaltung oder eine Automatik auf die Hinterräder bzw. – manuell zuschaltbar – auf alle vier Räder überträgt.

Bei einer ersten Mitfahrt ist allerdings zu spüren, dass schon der Vierzylinder mit ungewöhnlich hohem Antriebskomfort aufwartet. Motor und Antrieb sind gut gedämmt, und in der 190-PS-Variante geht er mit einiger Vehemenz ans Werk.

Das Fahrwerk, auch dies lässt sich konstatieren, ist komfortabel abgestimmt und filtert auch grobe Fahrbahnunebenheiten gut weg. Kehrseite ist die beträchtliche Wankneigung in schnell gefahrenen Kurven. Die Lenkung wurde von Daimler neu abgestimmt und soll mehr Präzision vermitteln als im Navara.

Starkes Design

Premium-Gefühle kommen vor allem beim Design auf. Von außen wirkt die X-Klasse ungewöhnlich clean und modern; vor allem der Heckabschluss mit den vertikalen Rückleuchten und dem edel eingelassenen Stern ist ausgesprochen “produktig”, wärend der große Kühlergrill mit den durchbrochenen Streben etwas zerklüftet wirkt. Im Interieur glänzt die X-Klasse mit einer eigenständigen, modernen Formensprache, die bei den Luftausströmern Anleihen an Mercedes-Pkw nimmt – und insgesamt sportives Flair vermittelt.

Wer genauer hinschaut, kann jedoch nicht übersehen, dass hier etliche Übernahmeteile aus dem Navara zum Einsatz kommen – etwa die verschiedenen Schalter an den Sitzen oder auch jene verchromte Stange, auf der nach alter Väter Sitte bei den Vierzylindern mit Automatik der Schaltknopf ruht.

Es gibt drei Ausstattungslinien: Pure, Progressive und Power. Die Aufpreisliste umfasst unter anderem das Telematiksystem Comand – mitsamt des berührungsempfindlichen Touchpad, das intern auf die Bezeichnung “Cobra” hört. Das Farbsortiment ist innen wie außen umfangreich; besonders edel wirkt die X-Klasse, wenn Holzfolie das Cockpit verziert. In der Spitzenversion “Power” präsentiert sich das neue Modell so als veritabler Lifestyle-Pickup.

Am anderen Ende des Spektrums rangiert die Variante “Pure”, deren Purismus sich unter anderem im Verzicht auf lackierte Stoßflächen oder die Tuben-Instrumente der beiden anderen Ausstattungslinien äußert. Doch auch wer sich bei der X-Klasse mit diesem Einstiegsmodell und dem schwächsten Dieselmotor bescheidet, muss mindestens 37 294 Euro nach Stuttgart überweisen. Das sind über 10 000 Euro mehr als für einen Nissan Navara.

Der allerdings kommt auch nicht von einem Premium-Hersteller.


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