Das Endspiel für die Marke Smart hat am 23. September 2016 begonnen – fast genau zwei Jahrzehnte nach der Einweihung der Produktions-Vorbereitungszentrums im lothringischen Hambach. Dabei klang die Entscheidung so plausibel. Die Marke, die die urbane Mobilität revolutionieren wollte, kündigte den Ausstieg aus dem Verbrenner an: „Der Smart ist das perfekte Stadtauto, das mit dem elektrischen Antrieb ein bißchen perfekter wird“, so die damalige Smart-Chefin Annette Winkler in einer Pressemitteilung.

Nicht alle Beobachter waren überzeugt. Der vollelektrische Smart Fortwo kostet über 10 000 Euro mehr als die entsprechenden Modelle mit Ottomotor. In der Stadt ist er zwar dynamisch unterwegs, aber die Reichweite liegt im offiziellen Zyklus bei maximal 160 Kilometern, in der Realität sogar deutlich niedriger. Geht es beim Smart nicht darum, überall einen Parkplatz zu finden? Anstatt verzweifelt Ladestationen zu suchen?

Anfang 2017 haben wir diese Bedenken angesprochen. Und erhielten Auskunft: „Smart war in den USA immer eine ziemlich extreme Marke, die Kunden fahren maximal 50 bis 70 Kilometer pro Tag.” Außerdem würden überall Ladestationen gebaut: “Elektromobilität funktioniert in der Stadt besonders gut. “

Es gab einen Moment zum Innehalten: Ende 2017 warf Car2Go, die Car-Sharing-Tochter von Daimler, den Smart aus der Flotte. Man zog es vor, die konventionell betriebenen Smart-Modelle durch viel teurere und größere Modelle mit konventionellem Antrieb zu ersetzen, anstatt auf den Elektro-Smart zu wechseln.

Smart-Interessenten haben heute jedenfalls keine Wahl mehr. In Europa gibt es den Fortwo und den Forfour nur noch mit Elektromotor. In den USA fiel diese Entscheidung sogar noch früher. Doch dann folgte der Paukenschlag: Die Marke wurde komplett gestrichen. Denn die Verkaufszahlen sind mit dem Wechsel zur E-Mobilität abgestürzt.

Die Besitzer sind frustriert

Warum eigentlich? Wir haben mit Smart-Enthusiasten in New York City gesprochen – dort, wo die E-Mobilität angeblich besonders gut funktioniert.

Einer der Fans der Marke ist Armin Kadic: Er lebt in Manhattan, arbeitet für die UNO und besitzt schon seinen zweiten Smart. Sein erster, ein weißes 2011er-Modell, wurde hart beansprucht: Kadic legt jährlich rund 20 000 Kilometer zurück und nutzt seinen Smart für Fahrten nach Long Island, an die Küste von Jersey, nach Vermont und in das Catskill-Gebirge im Norden des Staates New York. Sein erster Smart hat es sogar in Sarah Jessica Parkers Film “Im Hier und Jetzt” -Film geschafft: “Ich hatte in der Nähe geparkt und die Crew hat mich angefleht, das Auto am Set zu lassen”, lacht er. “Als Gegenleistung habe ich ein Date mit Sarah bekommen.”

Sarah Parker und Smart

Vor kurzem hat Kadic einen weißen 2017er-Smart mit Ottomotor erworben, der beim Händler aus der Vor-Elektro-Ära übriggeblieben war: “Ich liebe das Auto. Es ist komfortabler und viel besser und sicherer geworden. Gerade komme ich von einer sechsstündigen Reise nach Vermont zurück. Der Smart hat perfekt funktioniert.”

Eine normalerweise sechsstündige Hin- und Rückfahrt nach Vermont würde in einem elektrischen Smart zu einem mehrtägigen Unterfangen werden. Er käme mit einer Ladung wohl nicht einmal zu seinem Ferienhaus in den Catskill-Bergen im Staat New York.

Smart

Aber die geringe Reichweite ist nicht einmal der Hauptgrund, warum er dankend auf die E-Mobilität verzichtet: “Ich habe mich für einen Smart entschieden, damit ich ihn auf der Straße parken und nicht 500 bis 700 Dollar pro Monat ausgeben muß, um einen Garagenplatz zu mieten.” Das wäre nämlich die einzige Möglichkeit, sein Auto aufzuladen. “Ich kann ja wohl kein Verlängerungskabel aus meiner Wohnung im 13. Stock baumeln lassen”, kommentiert Kadic sarkastisch.

Der Smart-Eigner ist frustriert, daß die Marke verschwindet: “Die Entscheidung ist traurig und ich verstehe sie nicht. Ich will mein Auto fahren, bis es den Geist aufgibt. Und danach müßte ich mir wohl einen gebrauchten Smart zulegen, aber ich werde wahrscheinlich überhaupt kein Auto mehr haben, sonder mir für die Wochenenden irgendetwas mieten.”

Ähnliche Kritik hören wir von einem anderen Smart-Besitzer, dem in Brooklyn ansässigen Unternehmensberater Wayne Wilson. Auch er besitzt seinen zweiten Smart, nachdem er seinen roten 2011er durch das ein blaues 2016er-Modell ersetzt hat. Wilson ist ein Bilderbuch-Kunde: “Mein neuer Smart war entweder das erste, der bestellt wurde oder der erste, der in New York ausgeliefert wurde”, erinnert er sich.

Smart

Anfänglich litt das Auto unter einem Elektronik-Problem, das allerdings nach mehreren Anläufen behoben werden konnte. Inzwischen ist die Zuverlässigkeit kein Thema mehr. Auch Wilson sagt: „Ich liebe mein Auto. Es ist komfortabel und ich fühle mich sicher darin.“

Im Gegensatz zu Kadic nutzt Wilson seinen Smart hauptsächlich in der Stadt: “Ich benutze ihn für kurze Fahrten und Besorgungen vor Ort, er läßt sich perfekt einparken und ich finde immer eine Lücke in der Nähe meiner Wohnung.” Ab und zu unternimmt er allerdings auch längere Ausflüge, zum Beispiel nach Fire Island im Osten von New York. Und hier würde ein Elektroauto nicht funktionieren: “Ich habe mal ausgerechnet, ob ein Elektro-Smart für mich funktionieren würde. Aber die Reichweite ist zu gering.”

Smart

In New York würde er auch nicht funktionieren: “In der Stadt passieren die Dinge schnell, man ist immer unterwegs. Glaubt Smart, daß die Kunden ihre Zeit damit verbringen wollen, nach Ladestationen zu suchen und zweieinhalb Stunden zu warten, bis das Auto aufgeladen ist? Die Marke scheint nicht zu verstehen, wie eine Metropole funktioniert.”

Wilson ist nicht überrascht, daß Smart die USA verläßt: “Der SUV-Hype wird immer größer und vielleicht wollte Daimler die Marke auch einfach verschwinden lassen. Aber es war eine sehr schlechte Entscheidung, auf Elektroautos zu setzen. Man hat die Situation der Kunden offenbar nicht reflektiert.” Wilson glaubt, daß Elektroautos besser in den Vororten funktionieren, wo die Kunden eine eigene Garage haben, um dort aufzuladen. “Aber dort braucht niemand einen Smart,” stellt er fest.

Was wird sein nächstes Auto? In Amerika gibt es gar nicht so viel Auswahl an Kleinwagen. “Ich habe mir auch den Fiat Cinquecento und den Honda Jazz angeschaut, aber keiner von beiden hat mich überzeugt”, so Wilson. “Ich werde mein Auto wohl so lange fahren, wie es geht.”


NEWSLETTER ABONNIEREN

Unser Newsletter liefert täglich die neuesten Artikel und die spannendsten Geschichten direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Geben Sie uns einfach Ihre E-Mail-Adresse und los geht Ihr kostenloses Newsletter-Abonnement.

QuelleSmart, GTspirit
Teilen

1 Kommentar

  1. Die Statements treffen genauso auch auf Deutschland zu. Ich fahre neben Maserati und Jaguar und nach zwei Ups seit zwei Jahren einen Smart Foufour Brabus, mit dem ich 100% der Fahrten bis zu 100 km Entfernung absolviere. Warum wohl? Ausreichend komfortabel, Design innen und aussen wirken keineswegs ärmlich. In der Stadt auch mit vier Personen nutzbar, flexibler Kofferraum (in den am WE die gesamte Golfausrüstung für zwei Personen passt), optimales Verhältnis Aussen-/Innenmaße, minimaler Wendekreis, auch mal 185 km/h schnell. Reichweite bei vollem Leistungseinsatz mit allen Komfortverbrauchern 350 km. Minus: i.M. 8,5 ltr. Superplus. Aber daran hätte man arbeiten können. Beim Up GTI geht’s ja auch mit 2 Litern weniger. Warum sollte ich das Ganze für weitaus mehr Geld kaufen und dann auch noch die Höchstgeschwindigkeit limitiert bekommen, um überhaupt ein paar Kilometer weit zu kommen. Nach denen ich eine halbe Ewigkeit warten muss, bis es weitergeht. Falls gerade eine funktionierende Ladesäule in der Nähe ist etc. etc. Und on Top kommt noch die äusserst fragwürdige, angebliche Umweltfreundlichkeit, über die jeder seriöse Ingenieur nur lachen kann. Siehe Interview Fritz Indra. Es ist generell erschreckend zu sehen, wie sich die Industrie aus reinem Profitinteresse grün-ideologisch indiziertem Druck beugt, dessen Erzeugern nicht einmal die gute Absicht bestritten werden soll, die sich jedoch fern auch nur des geringsten technischen Verständnisses bewegen. Von sonstigen Kollateralschäden im Zuge der Gewinnung der benötigten Ressourcen ganz zu schweigen. Ich bin einmal gespannt, ob ich beim in 18 Monaten fälligen nächsten Fahrzugwechsel noch bei irgendeinem Hersteller ein vernünftiges Angebot finde oder auf Vorrat ein paar gebrauchte Topexemplare auf Vorrat bunkere.

Kommentieren Sie den Artikel

Please enter your comment!
Please enter your name here