Schon der Name ist eine Ansage: ID.3, das markiert zwar auch die Position des neuen Modells in der Welt der elektrischen Volkswagen, man kann es aber auch so interpretieren: Dies ist die dritte große Idee des Wolfsburger – nach Käfer und Golf. Eine Nummer kleiner, das wäre auch kaum vorstellbar angesichts der gewaltigen Investitionen, die in dieses Projekt geflossen sind. Das verpflichtet zum Erfolg.

Der MEB-Baukasten, eine reine Elektro-Plattform, wird hier zum ersten Mal eingesetzt; er dient bald als Basis für weitere Elektroautos im Konzern. Und die Eckdaten können sich sehen lassen: Die Achslast liegt hier bei idealen 50:50, Leichtbau wurde in den Grenzen der Bezahlbarkeit konsequent umgesetzt.

Volkswagen ID.3
Die Front wird sich auf anderen ID-Modellen wiederfinden

Zum Marktstart gibt es erst einmal die gehobene Leistungsstufe mit 150 kW/204 PS, erst später wird ein günstigeres Modell mit 107 kW/146 PS nachgereicht. Das maximale Drehmoment liegt bei 310 Nm, die über ein einstufiges Getriebe auf die Hinterachse übertragen werden. Entsprechend hurtig setzt sich der ID.3 in Bewegung: Der Spurt von 0 auf 100 km/h wird mit glaubhaften 7,9 Sekunden angegeben, die 204-PS-Variante mit kleinerer Batterie schafft den Standardspurt in 7,3 Sekunden. Abgeregelt wird bei 160 km/h, was für Elektroautos ein guter Wert ist.

Die Rekuperationsrate beim Lupfen des Fahrpedals kann über die Getriebestellung “B” deutlich erhöht werden, wobei sich das von manchen Elektrofahrern geschätzte “Ein-Pedal-Gefühl” einstellt: Der Tritt auf die Bremse kann bei vorausschauender Fahrweise dann häufig ausfallen.

Volkswagen ID.3
Ein echter VW: Starke C-Säule, horizontale Linien

Die Art und Weise der Kraftentfaltung ist überzeugend: Der ID.3 liefert ansatzlose Zwischenspurts, und er beschleunigt auch oberhalb von 130 km/h noch kraftvoll. Die maximale Reichweite liegt im realitätsfernen, offiziellen WLTP-Zyklus bei 426 Kilometern, VW spricht vorsorglich von einem ungewöhnlich breiten Korridor “kundennaher” Reichweite, der zwischen 290 und 420 Kilometern liege. Ein Elektroauto reagiert empfindlich auf den Fahrstil, und so ist diese Spreizung realistisch.

Der gut isolierte Antrieb bleibt dabei praktisch unhörbar, und auch die Wind- und Abrollgeräusche sind minimal. Chassis und Karosserie sind akustisch gut entkoppelt, Details wie die tropfenförmigen Löcher in der Unterbodenabdeckung verbessern die Akustik weiter. Das Geräusch zur Fußgängerwarnung bis 30 km/h, ein artifizielles Singen, ist eigentlich nur draußen zu hören.

Volkswagen ID.3
Langsamfahren steigert die Reichweite

Die Lenkung ist präzise und direkt, nicht unähnlich dem Fahrgefühl bei Golf und Passat. Und durch die schwere Batterie liegt der ID.3 satt auf der Straße. Trotz Heckantrieb ist es jedoch fast unmöglich, das Auto zum Übersteuern zu bringen, denn die Stabilitätskontrolle greift ungewöhnlich rigoros ein, teils fast bis zum Stillstand. Auch wenn die Längsdynamik im unteren Geschwindigkeitsbereich fast auf GTI-Niveau liegt, gehen die Wolfsburger bei der Querdynamik also auf Nummer Sicher.

Dabei ist die Dämpfung ungewöhnlich hart, und zwar unabhängig davon, ob nun der “Comfort”- oder der “Sport”-Modus gewählt wurde. Die mangelnde Dämpfung mag auch ein Resultat der schmal geratenen Gummis sein, die 18- bis 20-Zoll-Felgen aufgezogen sind. Die Elektroplattform mit ihrem Hinterradantrieb erlaubt übrigens starkes Einschlagen der Räder, und somit liegt der Wendekreis bei nur 10,2 Metern – zwischen den Modellen Golf und Up.

Volkswagen ID.3
Platz ist reichlich vorhanden

Der ID.3 ist mit einer Reihe von Assistenzsystemen ausgestattet, die mit dem Golf identisch sind. Das Spurhaltesystem spielt ein wenig Ping-Pong zwischen den Fahrbahnmarkierungen und versucht gar nicht erst, autonomes Fahren vorzutäuschen. Und das ist der weit bessere Ansatz als der von Tesla, wo dem Fahrer eine nicht existierende Sicherheit vorgegaukelt wird.

Das Interieur profiliert sich mit hochwertigen Oberflächen, Passungen und Materialien; selbst die Segmente aus Hartplastik wirken keineswegs billig. Das Panoramadach schafft einen lichtdurchfluteten und geräumig wirkenden Innenraum, und tatsächlich liegt das Platzangebot auf den Rücksitzen beinahe auf Passat-Niveau. Der Kofferraum faßt 385 Liter – praktisch. Die Sitze bieten guten Seitenhalt und sind für alle Größen geradezu perfekt geformt. Übrigens bietet der ID.3 mit seinem Zentralairbag ein ganz neues Sicherheitselement.

Volkswagen ID.3
Ein futuristisches Cockpit

Die Mittelkonsole ist allerdings etwas zu ausladend gestaltet, insbesondere da sich ihre Funktion darauf beschränkt, zwei Cupholder aufzunehmen. Mehr Raumgefühl und Beinfreiheit wären hier besser gewesen. Die schwenkbaren Mittelarmlehnen wiederum sind zu schmal, und daß der Innenspiegel über einen wulstigen Plastikrahmen verfügt, ist in diesem futuristischen Interieur durchaus ein Stilbruch.

Die Instrumentierung ist übersichtlich, logisch und intuitiv, wobei der kleine Bildschirm vor dem Fahrer mit dem Lenkrad schwenkt; direkt an ihn angesetzt ist der Fahrstufenregler, dessen Beschriftung leider vom Lenkradkranz verdeckt wird. Das Head-Up-Display ist sehr klar ablesbar und verfügt über eine perfekt gestaltete Graphik. Allerdings funktioniert die Navigations-Graphik nur für den Nahbereich, die Graphik für den Fernbereich wird nachgereicht. Und zu allem Überfluß ist das Display während unserer Testfahrten zweimal ausgefallen.

Volkswagen ID.3
Der Motor sitzt hinten, wie beim Käfer

Die Software, die bei den bereits vorbestellten Modellen noch nicht funktioniert, soll im Januar beim Händler neu aufgespielt werden, verspricht Volkswagen. Denn die berühmten “Over-the-air”-Updates, mit denen etwa Tesla endlose Mängel korrigiert, sollen erst später kommen. Man darf davon ausgehen, daß VW sie nicht so nötig hat wie die Amerikaner.

Aktuell steht der ID.3 ab 35 575 Euro in der Preisliste, wovon je nach Markt noch die obligatorischen Subventionen abgezogen werden können. Für einen geringen Aufpreis gibt es Pakete mit umfangreichen Zusatzausstattungen.

Volkswagen ID.3
“Umweltfreundlicher” ab 100 000 Kilometern

Übrigens beteuert Volkswagen, das neue Elektroauto weise ab einer Laufleistung von 100 000 Kilometern eine “bessere Klimabilanz” als ein vergleichbarer Verbrenner auf. Und die Batterie verfügt über eine Garantie von 8 Jahren oder 160 000 Kilometern; bis dahin garantiert der Hersteller 70 Prozent Kapazität.

Der ID.3 ist eine große Idee von Volkswagen. Wenn sich die Kunden von der E-Mobilität überzeugen lassen, könnte sie zum Erfolg werden.


NEWSLETTER ABONNIEREN

Unser Newsletter liefert täglich die neuesten Artikel und die spannendsten Geschichten direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Geben Sie uns einfach Ihre E-Mail-Adresse und los geht Ihr kostenloses Newsletter-Abonnement.

1 Kommentar

  1. Im Ernst: Was soll ein Auto, dass bei 160 km/h abgeregelt werden muss, weil man sonst kaum über100 km weit käme? Das ist doch einfach nur grotesker Humbug.
    Futuristisches Armaturenbrett? Als Architekt sage ich nur gewollt und nicht gekonnt, sondern nur mit Gewalt “anders” gemacht. Außendesign die gleiche Misere. Noch schlimmer als der unglückliche BMW i3, der wenigstens innen OK ist. Wie man so etwas richtig macht, kann man z.B. bei Honda sehen. Deren Kiste sieht wenigstens aussen und innen ordentlich aus, auch wenn sie sonst natürlich in die gleiche Sackgasse fährt.
    Auf Grund der Art und Umstände, unter denen die benötigten Rohstoffe zur Herstellung und der Strom zum Betrieb gewonnen werden, kaufe ich mir ein E-Vehikel nicht einmal für den reinen Stadtbetrieb, für den es ja durchaus geeignet wäre.
    So wichtig und richtig es ist, sich auf die Zukunft vorzubereiten. Die aktuelle Hysterie entbehrt jeder technisch-wissenschaftlichen Grundlage, schadet beim derzeitigen Stand der Technik und Energieversorgung selbst der Umwelt per Saldo.
    Das Ganze ist letztlich nichts als eine politik- und Ideologiegetriebenene Show und provoziert nur Abwehrhaltungen gegen wirklich innovative Technik, die ohne diesen lächerlichen Politdruck zum richtigen Zeitpunkt der technischen Marktreife von ganz alleine käme. Schließlich überlebt jede Industrie auch ohne politischen Einfluss nur, wenn sie wirklich innovativ ist, von nachhaltig zu erzielenden Gewinnen gar nicht zu sprechen.
    Kaspar Leistner – Mannheim

Kommentieren Sie den Artikel

Please enter your comment!
Please enter your name here