Als Audi einst den Q7 vorstellte, war eine andere Marke dem Vernehmen nach überhaupt nicht erfreut: Porsche. Damals gehörten die Zuffenhausener noch nicht zum Volkswagen-Imperium, und daß es neben dem Cayenne-Schwestermodell Volkswagen Touareg nun ein weiteres Modell auf der gemeinsam entwickelten Plattform geben würde, gefiel Porsche-Chef Wendelin Wiedeking überhaupt nicht. Man fürchtete die Premium-Konkurrenz.

Heute gibt man in Zuffenhausen freiwillig Kunden ab. Nicht nur bei Audi, sondern vor allem bei Volkswagen (übrigens auch bei BMW, wie uns von dort berichtet wird) freut man sich derzeit über einen Zustrom früherer Cayenne-Besitzer. Der Grund: Porsche hat kurz vor der Einführung die fest eingeplanten Varianten mit Sechs- und Achtzylinder-Diesel eingestampft. Diese Kunden, so notiert man aufmerksam, wechseln in nicht unerheblicher Zahl zu den Selbstzündern der Konkurrenz. Bei VW beispielsweise lockte bislang der V6 TDI mit 170 kW/231 PS oder 210 kW/286 PS.

Volkswagen Touareg V8 TDI

Doch jetzt gibt es noch ein sehr viel stärkeres Argument dafür, den Blick gen Norden zu wenden: Den Volkswagen Touareg V8 TDI. Dieses neue Spitzenmodell holt aus glatten vier Litern Hubraum stolze 310 kW/421 PS. Eindrucksvoller noch ist das maximale Drehmoment von 900 Nm, das bereits knapp über Leerlaufdrehzahl anliegt. Damit ist dieser Selbstzünder der drehmomentstärkste Touareg aller Zeiten, stärker noch als die einstigen Spitzenmodelle Touareg V10 TDI und Touareg W12, mit denen Volkswagen in der Ära Piëch die Hierarchie im Premium-Segment auf den Kopf stellte.

Knapp 270 km/h wären möglich

Das vielgeschmähte Dieselkonzept zeigt in diesem sensationellen Geländewagen, was in ihm steckt: Nicht einmal 5 Sekunden verstreichen, bis der 2,3 Tonnen schwere Touareg die 100-km/h-Marke erreicht, und die gewaltige Drehmomentwelle wird erst bei 250 km/h künstlich abgeregelt. Ohne Zwangsbremse würde der Touareg V8 TDI exakt 269,8 km/h schaffen.

Das alles geschieht nahezu lautlos: Während andere Geländewagen dieser Leistungsklasse mit künstlich erzeugtem Motorenklang rustikales Flair verströmen, bleibt dieser Volkswagen akustisch diskret im Hintergrund. Man trägt den Pelz nach innen, wie es ein VW-Sprecher politisch nicht ganz korrekt formuliert.

Volkswagen Touareg V8 TDI

Politisch korrekt ist hingegen das Trinkgebaren dieses SUV: Lediglich 7,4 Liter pro 100 Kilometer genehmigt sich der Spitzen-Touareg im anspruchsvollen Zyklus, und es ist kein Problem, diesen Wert in der Praxis auch zu erreichen. Und selbst wer auf der Autobahn die Zügel schießen läßt, wird es schwer haben, die 10 Liter nennenswert zu überschreiten. Die Verbrauchs- und Emissionswerte des V8 TDI sind nicht weniger als sensationell.

Wer mit einem leistungsstarken Ottomotor ähnlich schnell unterwegs ist, konsumiert gerne mal das doppelte. Und das gilt insbesondere auch für die hochgepriesenen Plug-In-Hybride, deren Verbrauchsvorteil bei Kriechfahrten in der Stadt sich auf Langstrecken in einen veritablen Malus verwandelt.

Volkswagen Touareg V8 TDI

Eine bemerkenswerte Erfahrung ist übrigens das praktisch verzögerungsfreie Ansprechverhalten, für das die ausgeklügelte Biturbo-Aufladung verantwortlich ist. Es kontrastiert auffällig mit dem Single-Turbo-V6 TDI, der hier erhebliche Defizite aufweist, selbst wenn – wie bei den S-Modellen von Audi – zusätzlich ein elektrischer Verdichter verbaut wird.

Dieser Verdichter kommt übrigens auch bei anderen Varianten des V8 TDI zum Einsatz, nämlich beim Audi SQ7 TDI und SQ8 TDI sowie beim Bentley Bentayga Diesel. Nach unseren Erfahrungen mit dem Touareg hat der V8 TDI dieses Zusatzaggregat nicht nötig. Das in beiden V8-Varianten sehr gute Ansprechverhalten ist kaum unterscheidbar.

Die Software kommt weit

Für die Kraftübertragung auf alle vier Räder sorgt ein Achtgang-Wandlerautomat, die Zuglast liegt bei 3,5 Tonnen. Im Gelände schafft es die Elektronik, den Touareg auch durch unwegsamstes Terrain zu bringen, mit blitzschnellen Eingriffen in Antrieb und Bremse. Wir konnten uns bei Fahrtests auf Island davon überzeugen.

Um diese Fähigkeiten auszukosten muß allerdings das Offroad-Paket spezifiziert werden, eine relativ günstige Option, die rein softwarebasiert ist. Ein Verteilergetriebe würde hier noch einmal den entscheidenden Sprung bringen; daß VW die Entwicklung relativ früh im Prozeß gestoppt hat, kann man den Ingenieuren angesichts niedriger Verbauquoten in der Vergangenheit allerdings nicht übelnehmen.

Volkswagen Touareg V8 TDI

Immerhin läßt sich die Bodenfreiheit per Luftfederung um weitere 70 Millimeter erhöhen. Und die optionalen, im Rahmen des relativ teuren Adaptiv-Fahrwerks zur erfolgreichen Unterdrückung der Wankneigung elektrisch verdrehbaren Stabilisatoren werden im Gelände automatisch entkoppelt. Gleichzeitig sorgt die beim Adaptiv-Fahrwerk inkludierte Hinterachslenkung bei höheren Geschwindigkeiten durch gleichsinnigen Einschlag für mehr Fahrstabilität, im Gelände und in der Stadt hingegen durch entgegengesetzten Einschlag für große Wendigkeit. Das funktioniert sehr gut, und so läßt sich der ausladende SUV erstaunlich leicht dirigieren.

Daß der Touareg unter den SUVs weit oben positioniert ist, ist auch im Interieur zu spüren, insbesondere dann, wenn das großzügig verglaste Innovision-Cockpit geordert wird. Es sollte in dieser Form eigentlich auch in den letztlich gestrichenen Phaeton kommen. Die Graphiken sollten die Designer allerdings noch einmal überarbeiten und dazu vielleicht einen Blick auf die S- und RS-Modelle von Audi werfen.

Uns fehlen übrigens Luxus-Optionen wie hintere Einzelsitze oder ein Alcantara-Dachhimmel, die dem Touareg eigentlich sehr gut stehen würden und die sich auch aus der Modellhistorie leicht begründen ließen. Dafür bietet der Touareg mit der optionalen Dynaudio-Anlage eines der besten Hifi-Systeme überhaupt; es stellt die Konkurrenzsysteme in den Schatten und ist für den Kenner ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Ab 89 825 Euro steht der Volkswagen Touareg V8 TDI in der Preisliste, und mit einigen Optionen – wobei auch die Matrix-LED-Scheinwerfer als besonders empfehlenswert herauszuheben sind – gerät er deutlich in den sechsstelligen Bereich. Angesichts seiner Qualitäten ist das allerdings mehr als angemessen. Eine ausgiebige Probefahrt in diesem Über-Diesel würden wir deshalb nicht nur potentiellen Kunden ans Herz legen. Sondern auch den Entscheidern in Stuttgart-Zuffenhausen.


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