Vier Tage auf der Frankfurter IAA: Zeit, ein besonderes Erlebnis Revue passieren zu lassen. Denn die Frankfurter IAA war einmal die wichtigste Automesse Europas, wenn nicht gar der Welt.

Weniger Hersteller, kleinere Stände und Lücken, die mit Gebrauchtwagen und Teppichen aufgefüllt wurden: Es gehört nicht viel dazu, um zu sehen, daß die IAA im Jahre 2019 nicht mehr ist, was sie einmal war. Aber die Fallhöhe war einigermaßen schockierend.

Natürlich haben die Absagen vieler Hersteller den VDA als Organisator schon vorab in eine schwierige Situation versetzt. Aber wie man mit den Schwierigkeiten umgegangen ist, das hat die Situation eher verschlimmert.

Nicht nur haben Luxusmarken wie Aston Martin gefehlt und der IAA damit erhebliche Attraktivität entzogen: Die deutschen Hersteller selbst haben ihre Spitzenmarken zuhause gelassen, inklusive Bentley, Bugatti und Rolls-Royce. Eine Entscheidung, die völlig unverständlich erscheint.

Wo bleiben die Höhepunkte?

Ganz klar: Die Hersteller, die sich auf die IAA bequemt haben, wollen ihre Elektroautos zeigen und damit dokumentieren, daß sie für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet sind. Aber in Wahrheit wird die politische Diskussion in Deutschland von Neinsagern dominiert, die sich sowieso keine Autos auf der IAA anschauen. Wer die IAA besucht, interessiert sich für faszinierende Autos und will die schönsten und besten von ihnen sehen. Daß sie keinen neuen Ferrari sehen können, ist schade, aber daß die Volkswagen-Gruppe ihnen frische Neuheiten wie den Bugatti Centodieci oder den Bentley EXP 100 GT vorenthält, ist ein starkes Argument dafür, in zwei Jahren nicht wiederzukommen. Eine Abwärtsspirale.

Erleben statt Betrachten

Automessen haben weltweit zu kämpfen, und die Situation der IAA hätte keine Überraschung sein müssen. Doch der Absturz manifestiert sich nicht nur im Fehlen starker Exponate, sondern auch im Besuchserlebnis. Vor 20 Jahren besaßen die Besucher ein akutes Informationsinteresse. Heute wissen sie viel mehr, vor allem durch die Vielfalt an Informationen, die online verfügbar sind. Automessen und -hersteller müssen sich anpassen und dem Umstand Rechnung tragen, daß es nicht genügt, ein neues Auto nur auszustellen. Erlebnisse und Interaktion tretenin den Vordergrund, und zwar solche, die ein normaler Händler nicht bieten kann.

Online-Auftritte geben den Herstellern eine Alternative zu den teuren Automessen in die Hand, die früher der Schlüssel dazu waren, über neue Modelle zu informieren. Wir glauben, daß die Messen noch immer einen unglaublichen Vorzug besitzen, indem sie auf engem Raum viele Modelle präsentieren und die Möglichkeit zu Treffen und Begegnungen bieten. Noch immer lassen sich hier Trends erspüren. Und deshalb wäre es schade, wenn sie verschwinden. Aber sie müssen sich ändern, den neuen Dynamiken des Marktes Rechnung tragen.

Es gibt Ausnahmen

Im Fokus der Mercedes-Benz Pressekonferenz auf der IAA 2019 standen nachhaltige Lösungen für die Zukunft der Mobilität – die sich in den Produkten genauso wiederfinden wie in der Geschäftsstrategie. Gleichzeitig positionierte sich Mercedes-Benz weiterhin als Hersteller für Luxus-Automobile. Als Beispiel für diesen nachhaltigen Luxus feierte das Showcar Mercedes-Benz VISION EQS seine Weltpremiere. Außerdem präsentierte der Erfinder des Automobils neunzehn weitere Fahrzeuge erstmals der Weltöffentlichkeit. Zusätzliches Highlight des diesjährigen IAA-Auftritts war der komplett überarbeitete und stärker auf die Kunden ausgerichtete Messestand in Halle 2.

Während etliche Hersteller komplett auf die IAA verzichteten und andere, wie etwa BMW, ihre Stände (hier von 11 000 auf 3000 Quadratmeter) verkleinerten, behielt beispielsweise Mercedes-Benz die prominente und ausgreifende Präsentationsfläche bei. Im Vorderpavillon stehen noch immer die neuen Modelle, wie früher. In der Festhalle gibt es ein neues Konzept: Wenige Autos, ein starkes Marken- und Themenerlebnis. Schön integriert: Die “Me-Convention”, eine Art Zukunftslabor, das sich um die großen Themen der Gesellschaft und Mobilität der Zukunft kümmern will, gar um den “Planeten”. Die Verbindung von neu und alt dürfte sowohl die klassischen Fans als auch technophile Neubesucher ansprechen. Angesichts des Zustands der Messe insgesamt fragen wir uns allerdings: Kann Daimler in Zukunft noch diese Investitionen rechtfertigen?

Und dann gibt es die Chinesen. Sie scheinen gar nicht bemerkt zu haben, wie es mit der IAA abwärts geht, und sie bringen eine sehr positive Stimmung in die von ihnen okkupierte Halle 8. Umso mehr ist zu bedauern, daß die Dichte an Produkten und Innovationen insgesamt so stark abgenommen hat.

Der Drang zur E-Mobilität

Eines ist fast allen Ausstellern auf der diesjährigen IAA gemein: Der Zwang, elektrische Autos ins Rampenlicht zu schieben. Sie reichen vom1 400 PS starken chinesischen Hypercar Hongqi S9 bis hin zum bescheidenen E-Up von Volkswagen. Am Donnerstag schritt Elektro-Kanzlerin Angela Merkel die Hallen ab und ließ sich von den Autoherstellern die jüngsten Innovationen und Produkte zeigen. Sie gaben ihr bestes: Mercedes-Benz Vision EQS, Volkswagen ID.3, Porsche Taycan.

War es Absicht oder Unbedachtheit, daß Merkel kurz vor Ende ihrer IAA-Tour bei Opel nach dem Preisunterschied zwischen Corsa und E-Corsa fragte? Es geht um die Differenz zwischen 15 000 und 30 000 Euro, und der abgehobenen”Physikerin” sollte bewußt sein, daß viele hundert Kilogramm Akku aus knappen, toxischen Materialien teurer sind als ein Benzintank.

Im Massenmarkt müßten Elektroautos wohl preislich auf das Niveau von Verbrennern herunterkommen, und selbst dann wird es nicht leicht sein, sie an den Mann zu bringen. Bis dahin werden Elektroautos ein Mittel für Wohlhabende sein, ihr “grünes” Gewissen zu beruhigen und die Rettung des Planeten zu simulieren – indem sie überdimensionierte, übergewichtige Fahrzeuge bewegen, die von Kohlestrom angetrieben werden.


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QuelleGTspirit
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