Leistung bis zum Abwinken, unschlagbare Längsdynamik: So langsam werden diese verpönten Eigenschaften wieder salonfähig. Das liegt vor allem an den neuen Elektroautos, die ihren blassen Charakter mit enormen Leistungswerten zu kompensieren suchen.

Bei klassisch angetriebenen Autos ist der Aufwand, um in Bereiche von über 600 PS zu kommen, weitaus größer. Dabei haben es die Ingenieure der Stellantis-Marke Dodge zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Die Hellcat-Modelle gibt es inzwischen in mehreren Leistungsstufen, keine von ihnen unter 727 PS. Wir sind in den USA den Charger Hellcat Widebody gefahren – gewissermaßen das Einstiegsmodell. Darüber gibt es noch zwei Versionen mit 808 PS.

Um diese Leistungen zu erzielen, haben die Ingenieure sich des Hemi-V8 aus dem hauseigenen Baukasten bedient, der mit einem IHI-Kompressor zwangsbeatmet wird. Der monumentale V8 verbirgt sich unter einer aufgewölbten Fronthaube, die schon von außen dokumentiert, welche Kräfte hier wirken. Massive Kotflügelverbreiterungen gehören inzwischen zur Serienausstattung. Die Formgebung des Dodge Charger ist ohnehin muskulös, in den Proportionen durchaus klassisch; kein Wunder, daß auch die US-Polizei auf diese Limousine setzt, die schon in ihren günstigeren Ausprägungen Einschüchterungspotential besitzt.

Sobald die massiven Portale geöffnet sind, können Fahrer und Passagiere in breiten, dick gepolsterten Fauteuils versinken. Armaturentafel, Lenkrad und Armlehnen wirken geradezu altmodisch, die gummiartigen Oberflächen kontrastieren mit Dekor im Kohlefaser-Look. Die dicken Schalter und Hebel, in überschaubarer Anzahl vorhanden, wirken solide, für heutige Maßstäbe vielleicht sogar etwas grobschlächtig. Der Tacho reicht bis zu 220 mph, umgerechnet über 350 km/h. Und das ist nicht einmal besonders hochgestapelt.

Eine Ahnung davon erhält der Fahrer schon, wenn er das 6,2-Liter-Aggregat per Knopfdruck zum Leben erweckt. Dann heult es vernehmlich auf, um anschließend dumpf grollend in einen unruhigen Leerlauf zu verfallen. Für die Kraftübertragung ist eine ZF-8HP-Automatik zuständig; das ursprünglich angebotene Schaltgetriebe gibt es nur noch im Coupé, dem Dodge Challenger.

Auch wenn wir jedem aus dem Lieferprogramm gestrichenen Schaltgetriebe nachtrauern: Die Automatik paßt besser zum Charakter dieser großen Limousine. Mit gewaltigem Schub springt der Hellcat beim Gasgeben nach vorne; unter der Fronthaube macht sich der Roots-Kompressor mit aggressivem Singen bemerkbar. Knapp vier Sekunden dauert der Sprint von 0 auf 100 km/h, wobei trotz eingeschalteter Traktionskontrolle ein erheblicher Teil der Energie über das Profil der 305er-P-Zero-Breitreifen verraucht. Das Ansprechverhalten ist ausgesprochen bissig, die Beschleunigung anhaltend und katapultartig. Der Hellcat schafft über 320 km/h; von der Überprüfung auf öffentlichen Straßen haben wir selbstverständlich abgesehen.

Das Fahrwerk ist straff abgestimmt, besonders bequem ist der Hellcat nicht. Die Eleganz und der Komfort, mit der sich ein Audi RS7 Sportback oder ein AMG GT63 neben ihren sportlichen Eigenschaften auch als Reiseauto empfehlen, gehen dem Hellcat weitgehend ab.

Am nächsten kommt der Dodge noch dem Tesla Model S. Dieser andere Amerikaner ist ebenfalls geradeaus fast unschlagbar schnell, überläßt den Feinschliff jedoch der Konkurrenz. Und vielleicht ist der Dodge ja in Wirklichkeit noch umweltfreundlicher unterwegs als das ähnlich schnelle E-Mobil. Denn seine Technik besitzt kein Verfallsdatum – und wenn er erst einmal mit synthetischem Kraftstoff betrieben wird, entspricht sein beträchtlicher Appetit (wir haben rund 14 Liter pro 100 Kilometer gemessen) einem CO2-Aussstoß von exakt null.


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