In einer bemerkenswerten Pressekonferenz hat Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess diesen Monat die Medien aufgerufen, Kritik und Diskussionen an der Elektromobilität einzustellen. Als Frame zu diesem beispiellosen Appell dient ihm das Horrorszenario einer “unkontrolliert voranschreitenden Erderwärmung”, wie es beispielsweise von der Schülerin Greta Thunberg propagiert wird. Gelänge es nicht, die CO2-Emissionen “in den kommenden Jahren” signifikant zu senken, so Diess, drohten “verheerende Folgen”.

Das mag so sein oder nicht, jedenfalls ist noch längst nicht klar, ob sich die Elektromobilität auf dem Markt durchsetzen kann – oder überhaupt sollte. Die Forderung der Regierung Merkel, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf die Straßen zu bringen, ist von den Bürgern jedenfalls mit kühler Ablehnung beantwortet worden. Anstatt innezuhalten und die Technologie neuzubewerten, hat sich die Politik allerdings entschieden, mit einer Lawine von Vorschriften, Verboten und Subventionen nachzuhelfen. Doch je mehr E-Autos es gibt, desto drängender werden die Fragen.

Herbert Diess

Zum Beispiel die nach Verfügbarkeit und Kosten einer belastbaren Ladeinfrastruktur. Oder die nach den Produkteigenschaften einschließlich Fahrleistungen, Reichweite und Ladezeiten. Oder nach den Kosten dieser Autos. Oder die nach den industriepolitischen Auswirkungen. Und nicht zuletzt die nach der tatsächlichen Umweltbilanz von Elektroautos, sofern man von der naiven “tank-to-wheel”-Betrachtung auf eine “well-to-wheel”-Betrachtung umschwenkt, bei der die Stromerzeugung mitberechnet wird – etwa durch schmutzige Kohlekraftwerke oder landschaftszerstörende “alternative Energien”. Und dann könnte man noch eine “cradle-to-grave”-Betrachtung anstellen, bei der auch die Herstellung sowie die Entsorgung der Akkumulatoren zu berücksichtigen wäre. Denn dabei gibt es bekanntlich eine Reihe von Problemen, bis hin zu Menschenrechtsthemen.

Natürlich besitzen Elektroautos auch positive Aspekte – beispielsweise bei der Fahrzeugarchitektur oder beim neuerdings politisch korrekten Kavalierstart. Dennoch nimmt man die Aussagen des VW-Chefs mit Verwunderung zur Kenntnis. “Jetzt gilt es, alle Kräfte auf ein Ziel auszurichten. Wir müssen uns fokussieren”, proklamiert Diess, um fortzufahren: “Technologieoffenheit ist jetzt die falsche Parole und führt nur dazu, den Systemwandel weiter in die Zukunft zu verlegen.” Sein Vortrag vor der versammelten Presse gipfelte in dem Appell: “Lassen Sie uns aufhören zu diskutieren und zu kritisieren.”

Dabei lohnt es sich, eine kühle Abwägung der technischen Alternativen vorzunehmen. Ein Ansatz, der übrigens auch im Volkswagen-Konzern viele Fürsprecher hat. Denn Alternativen gibt es immer. Hier sind die interessantesten:

Die Wasserstoff-Brennstoffzelle

Audi h-tron

Bei dieser oft propagierten Lösung dient Wasserstoff als Triebstoff, um in der Brennstoffzelle umgewandelt zu werden. Die lokalen Emissionen sind gleich null. Angetrieben werden die Autos von Elektromotoren. Nachteil: Der explosionsgefährliche Wasserstoff muß in schweren Tanks aufbewahrt werden. Doch im Vergleich zum batterieelektrischen Auto ist die Reichweite größer – und die Autos können binnen weniger Minuten aufgetankt werden. Wie ein Benziner oder Diesel. Übrigens: Eine Brennstoffzelle läßt sich theoretisch mit den unterschiedlichsten Kraftstoffen betreiben.

Der Wasserstoff-Verbrennungsmotor

Hier wird flüssiger Wasserstoff in einen konventionellen, angepaßten Verbrennungsmotor eingespritzt. Die Herausforderung ist hier – wie bei der Wasserstoff-Brennstoffzelle – die Lagerung. Und die bislang unzureichende Infrastruktur. Doch wenn man eine Tankstelle findet, ist das Auto in wenigen Minuten betankt. Zwar ist die Produktion und Lagerung von Wasserstoff energieaufwendig. Doch beim Elektroauto interessiert sich für die Politik ja bislang auch nicht für alles was vor der Nutzung im Auto passiert.

Der Erdgas-Antrieb

Volkswagen Golf TGI

Eine bewährte Lösung, für die sich herkömmliche Ottomotoren leicht anpassen lassen. Die Tanks benötigen etwas mehr Raum aus Benzintanks, dafür sinkt der CO2-Ausstoß drastisch. Erdgas gibt es in Hülle und Fülle. Das Emissionsverhalten ist ein weiterer Pluspunkt. Das Tanken ist etwas unbequemer als beim Benziner oder Diesel – aber weitaus angenehmer als bei einem Elektroauto…

Der Flüssiggas-Antrieb

Eine relativ einfache Lösung, weniger anspruchsvoll als Erdgas; Flüssiggas wird mit erheblich niedrigerem Druck gelagert. Die CO2-Ersparnis ist deutlich geringer als bei Erdgas, aber dennoch signifikant; sie liegt ungefähr auf dem Niveau eines Diesel. Die Technologie ist seit Jahrzehnten bewährt.

Das Range-Extender-Elektroauto

Ein Elektroauto, bei dem die Batterien Strom für eine gewisse Strecke liefern und danach ein Verbrenner anspringt, der ledglich als Generator fungiert, um die Batterien nachzuladen. Das ist nicht sonderlich effizient, aber der Fahrer hat die Sicherheit, jederzeit anzukommen. Beispiele: Der BMW i3, den es in den USA nach wie vor mit Range Extender gibt, oder die verflossenen GM-Modelle Chevrolet Volt und Cadillac ELR.

Der Plug-In-Hybrid

Volkswagen Golf GTE

Hauptantrieb ist ein Verbrenner, aber der Elektromotor treibt das Auto locker auf 120 km/h oder mehr – und je nach Auslegung 30, 50 oder mehr Kilometer weit. Nachteil: Diese Autos sind teuer, schwer und komplex. Und die Zyklusverbräuche lassen sich nur auf relativ kurzen Strecken erreichen; das böse Erwachen kommt auf der Langstrecke, wenn die Batterie leergefahren ist und der Verbrenner hunderte Kilo Extragewicht herumschleppen muß. Dennoch: Im Alltag kann man mit diesen Autos leicht leben.

Der Vollhybrid

Ein Verbrennungsmotor mit Hochvolt-Elektroantrieb, aber nur wenigen Kilometern Reichweite: Das hilft, den Verbrauch im Stadtverkehr zu verringern und liefert bei zügiger Fahrt unmittelbar erlebbare Performance. Eine immer noch relativ teure Lösung, millionenfach bewährt beispielsweise im Toyota Prius.

Der 48-Volt-Hybrid

Hybride mit 48-Volt-Bordnetz können in begrenztem Umfang elektrische Energie speichern, um bei Bedarf Boost-Funktionen wahrzunehmen. Damit lassen sich die Verbräuche erheblich senken und das Ansprechverhalten verbessern.

Der klassische Verbrennungsmotor

Porsche Diesel

Moderne Otto- und Dieselmotoren sind mittlerweile sehr effizient geworden. Downsizing und Turboaufladung haben die durch eine extrem aufwendige Abgasreinigung induzierten Verluste weit überkompensiert. Und noch immer steckt im Verbrenner Potential. Rund 15 Prozent sind in absehbarer Zeit locker möglich – durch höhere Verdichtung, Wassereinspritzung, Elektrifizierung der Nebenaggregate und eine Vielzahl weiterer Stellhebel. Sauber sind diese Motoren auch.

Und damit wäre die Liste noch nicht einmal erschöpft. In der Branche – ja, sogar bei VW-Mitarbeitern – wird über neue Verbrennungsverfahren (“Lean Burn”) diskutiert, und exotische Lösungen wie die Gasturbine (als Range Extender) oder der (wasserstoffbetriebene) Wankelmotor könnten ebenfalls noch eine Rolle spielen. Die besten Ideen kommen dabei aus der Forschung und aus der Praxis. Und nicht aus der Politik.


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