In Amerika sind Pickups so normal wie bei uns ein VW Golf. Doch auch in Deutschland wächst das Angebot – sogar Mercedes baut jetzt einen. Und auch Fiat hat einen echten Lademeister im Angebot. Braucht man sowas? Aber klar. Ein Alltagstest.

Montag

Fiat Fullback

Na, ob der in die Tiefgarage passt? Der Fiat Fullback ist da. 5,30 Meter lang, knapp 1,80 Meter hoch. Die ganzen SUV werden ja irgendwann langweilig, da musste mal was anderes her. Da passt der Fullback prima. Ich freue mich schon auf die Blicke unserer veganen Nachbarn. Die können mal froh sein, dass der Wagen keinen Kuhfänger und Stierhörner auf der Motorhaube hat.

Der schwarze Brummer mit dem Fiat-Logo ist ein (für europäische Verhältnisse) ausgewachsener Allrad-Pickup mit einer knappen Tonne Nutzlast und 3,1 Tonnen Anhängelast. Übrigens: Der Fullback ist das Schwestermodell des Mitsubishi L 200. Wenn das mal kein Fest für Fiat-Händler ist! Nach dem 124 Spider (ein umgelabelter Mazda MX-5) nun schon der zweite Fiat, der in Asien gebaut wird.

Erstmal das Cockpit entern. Das geht einfacher, wenn man sich am Handgriff an der linken A-Säule schwungvoll nach oben zieht. Drin ist’s gemütlich – und geräumig. Die Doppelkabine (Double Cab) hat fünf Sitzplätze. Na gut, im Vergleich zu einem Ford F-150 oder Chevrolet Silverado ist der Fullback eine unterernährte Hyäne in einem Rudel vollgefressener Löwen. Doch im europäischen SUV-Vergleich gibt es im Fiat reichlich Lebensraum, viele Ablagen und gemütliche Sitze.

Übrigens: Ja, der Fullback passt in die meisten Tiefgaragen, und zwar ganz locker. Zur Not muss man die Radioantenne abschrauben. Und auch an der Schranke vorbei geht’s ganz einfach, weil die Außenspiegel höher liegen als der Schranken-Sockel.

Dienstag

Fiat Fullback

Inverse Ikea-Woche: Irgendwann müssen all die schwarzglänzenden Möbel, die nach dem zweiten Umzug so klapprig und ausgeleiert sind wie das Hüftgelenk eines 100-Jährigen, ja mal zum Sperrmüll. Das ist so ein Moment, wo Sie einen Pickup fahren wollen. Selbst die Doppelkabine mit der nur 1,52 Meter langen Ladefläche schluckt problemlos die Einzelteile von „WACKLEN“ und „WINDSCHIEV“ (die exakten Ikea-Namen sind mir leider entfallen), dazu noch zwei Bettkästen, ein paar Blumenkübel und was sonst noch auf die Halde muss. Für den Fullback ein entspannter Tag: Die Waage am Recyclinghof zeigt, dass der Fiat nicht mal die Hälfte seiner Ladekapazität erreicht hat.

Beim Rangieren zwischen ungefähr einem halben Dutzend Containern – zum Recycling muss ja lackiertes Holz fein säuberlich getrennt werden von anderem Holz, Metall von Plastik und wahrscheinlich auch glutenfreie Lebensmittelverpackungen von fair gehandelten Müsli-Tüten – merkt man übrigens schnell, wie verwöhnt man von modernen SUV ist. Parksensoren hat der Fullback nämlich nicht (überflüssig bei der robusten Heckstoßstange, die ihren Namen noch verdient). Auch wenn der kantige Pickup übersichtlich zu rangieren ist: Auf das Kreuz in der Aufpreisliste bei der Rückfahrkamera sollten Sie keinesfalls verzichten. Schließlich wollen sie ja nicht den Kleinwagen ihres Nachbarn zu Klump schieben oder dafür sorgen, dass die Katze von gegenüber all ihre sieben Leben auf einmal verbraucht.

Mittwoch

Fiat Fullback

Erste Langstrecken-Tour mit dem Fullback. Unter der Haube galoppieren 181 Diesel-Pferdestärken. Das tun sie deutlich hörbar, aber auch nicht unangenehm laut. 430 Newtonmeter Drehmoment haben mit knapp zwei Tonnen Fahrzeuggewicht wenig Mühe. Die etwas hakelige Sechsgang-Schaltung jedenfalls muss man nicht allzu oft bemühen, Power gibt’s immer. Tempo 180 erreicht der Wagen locker und nicht mal der Geradeauslauf ist bei diesem Tempo schlecht. Nur der Verbrauch klettert dann schnell in zweistellige Höhen (gilt ebenso für den Stadtverkehr).

Ist ein Pickup ein gutes Reise-Fahrzeug? Wenn man es nicht gar so eilig hat, in jedem Fall. In den Kurven wankt der Aufbau deutlich, die Lenkung ist etwas schwammig – eine sportlich-direkte Lenkung wäre ja auch nicht gerade sinnvoll für ein Nutzfahrzeug, zumal eins mit Offroad-Kapazitäten. Beim SUV-mäßigen Fahrverhalten kann der Fiat Fullback nicht ganz mit dem VW Amarok mithalten. Doch entspanntes Cruisen, das beherrscht er prima. Dann pendelt sich auch der Durchschnittsverbrauch irgendwo zwischen acht und neun Litern ein.

Kurz vor dem Ziel dann das: Mal wieder Dauerstau auf der Autobahn. Ich ertappe mich dabei, dass ich ständig auf die Böschung schiele, wo die Gänseblümchen sanft im Wind hin und her wiegen. Keine Leitplanken, ausnahmsweise mal kein Zaun, ein Feldweg dahinter. Dieses Gefühl „Wenn ich wollte, könnte ich jetzt einfach rausfahren und ab durchs Gelände“ kommt auf.

Der Fullback hat ja nicht nur den permanenten Allradantrieb (beziehungsweise den zuschaltbaren Allrad bei den Basisversionen), sondern auch eine Geländeuntersetzung und bei Bedarf noch eine Differentialsperre für die Hinterachse. Böschungswinkel vorn 30 Grad, hinten 22 Grad. Rampenwinkel 24 Grad. Kippwinkel: 45 Grad.

Ein schönes Gefühl. Ein VW Tiguan oder BMW X3 wäre bei solchen Geländeverhältnissen schon lange ein Fall für den freundlichen Bauern, der einen mit dem Trecker wieder aus dem Unterholz rauszieht. Ein Pickup lacht da drüber. Aber natürlich ist es verboten, einfach so von der Autobahn rauszufahren. Also warte ich entspannt weiter im Stau und gucke mir den Taubendreck auf den Dächern der anderen Autos an.

Donnerstag

Fiat Fullback

Bin gerade dabei, in der Einfahrt die letzten Gänseblümchen und Grasbüschel aus dem Radhaus zu kratzen. Unser Nachbar bringt derweil Torben-Rüdiger (oder wie das verzogene Balg heißt) mit seinem Smart zur Schule. Sein vorwurfsvoller Blick lastet auf dem Fullback, so als würde er erwarten, dass ich gleich eine Ladung totgeschlagener süßer Baby-Robben auf die Ladefläche werfe. Die erste Frage war vorauszusehen:

Nachbar: „Was verbraucht der denn?“

Ich: „So acht bis neun Liter, in der Stadt nimmt er sich gern mal 10. Diesel, übrigens.“ Die Provokation musste jetzt mal sein; allein das Wort Diesel hat ja derzeit den Effekt, als würde man beim G20-Gipfel mit einem Porsche Boxster an der Roten Flora vorfahren, ein T-Shirt des Maklerverbandes tragen und Wahlkampfbroschüren der FDP verteilen.

Er: „Mein Smart hat zwar nicht soviel Platz, aber er verbraucht auch nur vier Liter.“

Ich: „Na, dann ist das Verhältnis Verbrauch zu Nutzlast ja nur ungefähr doppelt so schlecht wie bei mir.“

Er (irritiert): „Und woher weiß man, ob der Wagen nicht zu schwer beladen ist?“

Ich: „Das ist nicht so schlimm, der hat Starrachse und Blattfedern und außerdem kann das Auto die Betriebsanleitung nicht lesen.“

Er: „Oh, ich glaube, wir müssen jetzt.“ Er wirft die Nähmaschine seines Smart an und fährt davon. Ich nehme an, Torben-Rüdiger darf nicht zu spät zum Flötenkreis kommen.

Freitag

Fiat Fullback

Jetzt kommen wir mal zu einem echten Ärgernis. Das Infotainmentsystem des Fullback macht mich komplett wahnsinnig. Hallo Fiat – wer hat das für den Fullback implementiert? Was haben da eure Leute gemacht? Chianti gesoffen und alle Meetings geschwänzt? Das System ist jedenfalls absolute Grütze: Die Smartphone-Kopplung mit dem iPhone funktioniert auch nach 10 Versuchen nicht. Das Navigationssystem mit der unübersichtlichen Pfeildarstellung sieht aus wie ein 80er Jahre Arcade-Game. Die monotone weibliche Navigationsstimme könnte man problemlos als Schlafmittel in MP3-Form vertreiben. Mit dem RDS-Signal läuft auch irgendwas schief: Bei jeder Verkehrsdurchsage geht plötzlich das Radio komplett aus und muss neu gestartet werden. Zur Abrundung des Desasters erkennt das System diverse USB-Sticks mit Musikfiles einfach nicht.

Dem Kollegen, dem ich den Fullback heute ausleihe, ist es egal – er muss seine Gartenlaube transportieren. „Und meine Kids stehen auch total auf diese Karren“, meint er beim Losfahren.

Kinder stehen ja auch auf Dinosaurier. Im Gegensatz zu denen sind Pickups allerdings nicht ausgestorben, sondern vermehren sich sogar. In Deutschland wurden im letzten Jahr immerhin 20 000 Pickups verkauft. Bei Jeep kommt demnächst eine Pickup-Version des neuen Wrangler. Selbst Mercedes hat jetzt einen Lastesel im Angebot. Der kostet aber schon in der Basisversion weit über 30 000 Euro. Den Fullback gibt’s ab 26 656 Euro in der Blaumann-Version “Basic”. Die teuerste Version “Adventure LX” mit Doppelkabine, Allrad und Automatik kostet 38 675 Euro.

Fiat Fullback

Also ein echter SUV-Ersatz? Für die meisten wohl nicht, denn es fehlt halt an Luxus und Komfort. Und für die Urlaubstour braucht man schon eine Laderaumabdeckung. Aber ansonsten kann so ein Auto nicht viel weniger als ein SUV und manchmal deutlich mehr.

P.S.: Nein, ich habe überhaupt keine Probleme mit dem Smart. Beim nächsten Pickup-Check muss ich mal probieren, ob der besser quer oder längs auf die Ladefläche passt.


Dieser Text wird von Focus Online zur Verfügung gestellt.



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QuelleFiat
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