Unter den Oberklasse-Limousinen gibt es eine Kategorie, die vor allem der Schönheit verpflichtet ist. Es sind die flach bauenden, großen und eleganten Limousinen, die von kreativen Marketing-Abteilungen gerne als “viertüriges Coupé” bezeichnet werden; dazu gehören Audi A7, BMW 6er Gran Coupé, Mercedes-Benz CLS. Eine halbe Klasse tiefer gibt es den Volkswagen Arteon, am oberen Ende kommt nächstes Jahr ein viertüriger AMG GT hinzu, der allerdings – wie der CLS – auf der E-Klasse basiert.

Jede dieser Limousinen pflegt ihren eigenen Stil, der Audi A7 ist dabei momentan das einzige Modell mit Fließheck und großer Hecktüre. Seine erste Modellgeneration wurde mit dem Sportback Concept von 2009 angekündigt, das allerdings erst nach der Entscheidung für das Serienmodell entstand. Die bei der Studie gezeigten Verbesserungen flossen beim Facelift von 2014 teilweise in die Serie ein.

Mit seiner puristischen Form, die durchaus von klassischen Sportwagen der 70er-Jahre informiert war, profilierte sich der A7 von Anfang an als Solitär im Audi-Modellprogramm. Eine derartige Ikone neu aufzulegen ist keine triviale Aufgabe für eine Designabteilung.

Beim neuen Audi A7 kommt hinzu: Er soll nicht nur die Schönheit und die Eigenschaften des Vorgängermodells widerspiegeln, sondern auch den Aufbruch in eine neue Design-Ära verkörpern. Neben dem bereits vorgestellten neuen A8 sind A7 und A6 die ersten Modelle, die unter Marc Lichte entstanden sind; der Chefdesigner ist erst im Februar 2014 zu Audi gekommen.

Konsequenter Ansatz

Während der A8 vor allem einer konservativen, statusbetonten Käuferschaft gefallen muss, konnten die Designer beim neuen A7 konsequenter vorgehen. Der ausgewählte Entwurf von Andreas Koglin und Sebastiano Russo stößt die Tür in die neue Designwelt von Audi weit auf.

Zwar ist die Frontpartie mit der simplifizierten Scheinwerferkontur etwas konventioneller geraten als bisher; dafür ist der Audi-typische Kühlergrill breiter und tiefer denn je plaziert. Die Familienähnlichkeit zum A8 ist unverkennbar, das gleiche Thema ist beim A7 jedoch viel sportlicher ausgeprägt. Und das S-Line-Paket, das beim Vorgänger nicht überzeugte, wirkt viel eleganter und futuristischer als zuvor.

Die Seitenpartie des neuen A7 ist durch das Zusammenspiel von ausgeprägten Sicken und horizontalen Linien geprägt; es war erklärtes Ziel, den Allradantrieb zu betonen. Dazu haben die Designer die Kotflügel wie beim usprünglichen Quattro ausgeformt, und der A7 schlägt mit diesem Thema gleichzeitig die Brücke zum A8. Während die Heckpartie höherliegt als beim Vorgänger, zieht die nach unten abfallende Linie, mit der die Oberkante der Seitenfenster fortgesetzt wird, das Heck visuell wieder nach unten. Sie verleiht der Seitenanicht eine skizzenhafte Leichtigkeit.

Den gleichen Eindruck vermittelt der Heckabschluss, der – wie bei einem italienischen Sportwagen der 70er-Jahre – von einem kühnen Bogen eingefasst wird. Die Rückleuchtenkontur wirkte konventionell, wären die Beleuchtungselemente links und rechts nicht durch einen schmalen, horizontalen Lichtstreifen verbunden, der dem Heck einen ungewöhnlich futuristischen Akzent verleiht.

Marketing statt Technik?

Den unteren Abschluss bilden ein Pseudo-Diffusor, der links und rechts in stilisierte Auspufföffnungen übergeht Angeblich gefällt den Kunden das symmetrische Design; uns nicht. Die “kalten Blenden” nehmen dem A7 Authentizität, und man kann nur hoffen, dass wenigstens die kommenden S- und RS-Varianten eine offene Auspuffanlage zeigen.

In diesem Zusammenhang seien auch die neuen Bezeichungen für den Antrieb erwähnt, die so tun, als enthüllten sie den Hubraum, in Wirklichkeit jedoch auf (irgendwelche) Leistungsklassen verweisen. Der 3,0-Liter-V6 hört auf die Bezeichnung 55 TFSI – gerade so, als steckte ein 5,5-Liter-V8 unter der Haube. Die Authentizität geht auch hier verloren, die Technik ordnet sich dem Marketing unter.

Die Scheinwerfer und Rückleuchten des A7 glänzen zumindest in den höheren Ausbaustufen beim Ent- und Verriegeln mit aggressiven Lichteffekten; sie unterstreichen den sportlichen Charakter des A7. Oberster Level ist das “Laserlicht”, bei dem allerdings keineswegs echte Laserstrahlen auf die Fahrbahn treffen. Doch die Technologie überhöht per se die auratische Qualität des neuen A7 – und passt deshalb perfekt zu ihm.

Das Interieur ist ebenso futuristisch wie die Außenhaut gestaltet; die neue Limousine überspringt damit eine ganze Cockpit-Generation, symbolisiert durch die nach wie vor aktuellen Typen A4/A5, Q5 und Q7 – und präsentiert sich ebenbürtig mit dem neuen A8. Die Armaturentafel zeigt großzügig verglaste Bedienflächen und extrem klare Formen; im Vergleich zum A8 ist die Fahrerorientierung viel stärker betont. Dennoch würde man sich im Detail noch mehr Konsequenz wünschen: Einige Details wie die Haltegriffe wirken relativ altbacken, und es hätte zum Charakter des A7 gepasst, wenn Audi die Möglichkeiten der programmierbaren TFT-Bildschirme etwas großzügiger ausgenutzt hätte – etwa mit digitalen Balkengraphiken anstelle der braven, simulierten Analoginstrumente.

Warten auf den TDI

Im langgestreckten Vorderwagen steckt zum Marktstart ein 3,0-Liter-V6-Ottomotor mit 340 PS; gekoppelt an eine Siebengang-Doppelkupplungs-Automatik bringt er den A7 in 5,3 Sekunden auf 100 km/h und bis auf eine abgeregelte Spitze von 250 km/h. Diese Antriebsstrategie zur Markteinführung ist verwunderlich, hatte Audi doch beim Vorgängermodell seit längerem – mit Ausnahme des sportlichen Derivate S7 und RS7 – alle Ottomotoren gestrichen.

Ob Audi den geduldig wartenden Benziner-Kunden nun zum Ausgleich für diese Durststrecke besondere Reverenz erweisen will, muss offenbleiben; jedenfalls hoffen wir, dass auch die phantastischen V6-TDI-Motoen möglichst bald den Weg unter die Haube des neuen A7 finden. Das aktuelle wie die kommenden Aggregate verfügen übrigens über eine 48-Volt-Mild-Hybridisierung – die wohl sinnvollste Form der Elektrifizierung eines modernen Automobils.

Bei aller Sportlichkeit: Der neue Audi A7 strahlt ein kühle Distanz aus, die derzeit wohl von keinem anderen Auto auf dem Markt erreicht wird. Das macht seine spezifische Schönheit aus – und damit ist er der ideale Nachfolger für die erste Modellgeneration.


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QuelleAudi
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